Projekt "Gesprochenes Deutsch"

Diese Sprachkarten aus dem AADG bieten einen exemplarischen Einblick in typische Variationsphänomene des Deutschen im Bereich des Gebrauchsstandards (zum Vergrößern klicken).

Projektleiter: Prof. Dr. Arnulf Deppermann, deppermann(at)ids-mannheim.de

Mitarbeiter: Dr. Stefan Kleiner, Dr. Ralf Knöbl, Dr. Arne Zeschel

Hintergrund

Die deutsche Sprache gehört auch heute noch zu den vielfältigsten und variationsreichsten in Europa. Verschiedene regionale, sprechsprachliche, situationstypische, stilistische u.a. Gebrauchsvarianten bilden das alltäglich gesprochene Deutsch, das sich in vielen Aspekten von dem in Wörterbüchern und Grammatiken kodifizierten Standarddeutsch unterscheidet.

Es besteht daher ein großer Bedarf an der Klärung von Fragen der Variation, z.B. im Rahmen von Deutsch als Zweit- und Fremdsprache (DaZ/DaF). Aber auch bei Muttersprachlern entstehen häufig Fragen in Bezug auf den Gebrauch und die Bewertung von Varianten in der Standardsprache. Ein Nachschlagewerk, das umfassende und verlässliche Informationen über weitverbreitete Varianten im gesprochenen Deutsch anbietet, gibt es jedoch bisher nicht.

Ziele und Erhebung

Das IDS-Projekt "Gesprochenes Deutsch" hat das Ziel, die in diesem Bereich vorhandenen Forschungsdefizite empirisch aufzuarbeiten. Es zielt auf eine systematische Untersuchung der Variation in der gesprochenen Standardsprache, wobei der Fokus der Auswertung und Beschreibung auf der Ausspracheebene liegt. Standardsprache wird im Projektrahmen nicht als eine präskriptive Wörterbuch- und Grammatiknorm verstanden, sondern als deskriptiv beschreibbare Sprachform, die (besonders) in formellen Situationen verwendet wird und darum präziser als „Gebrauchsstandard“ bezeichnet wird.

Die empirische Grundlage des Projekts ist das in den Jahren 2006-2009 von Projektmitarbeitern erhobene Korpus "Deutsch heute", das aus 671 Sprachaufnahmen mit Sprecherinnen und Sprechern der jüngeren Generation (Oberstufenschüler an Gymnasien) sowie 158 Personen der Generation 50+ besteht, die flächendeckend an 192 Orten im ganzen deutschen Sprachraum gemacht wurden. Erhoben wurde Vorlesesprache mittels Lesetexten und einer Wortliste sowie Spontansprache in (sprach)biographischen Interviews und in einer Map-Task-Aufgabe.

Ergebnisse

Seit 2010 werden die Sprachdaten systematisch ausgewertet, neben verschiedenen Einzelpublikationen (Deppermann/Kleiner/Knöbl 2013, Kleiner 2010, Knöbl 2014) werden seit 2011 Projektergebnisse im Internet auf der Wiki-Plattform "Atlas zur Aussprache des deutschen Gebrauchsstandards (AADG)" publiziert. Die Sprachdaten werden dort schwerpunktmäßig in ihrer diatopischen Variation über Sprachkarten visualisiert, mit Tonbeispielen ergänzt und fachlich kommentiert. Ende 2023 enthält der Atlas ca. 350 Sprachkarten, auf denen Ergebnisse zum kompletten Phonemsystem des Deutschen sowie zu zahlreichen einzellexematischen Sonderfällen dokumentiert sind. Der Atlas wird, auch nach dem offiziellen Projektende, weiterhin gepflegt und er wird in unregelmäßigen Abständen um neu ausgewertete Phänomene erweitert.

Die hier abgebildeten Sprachkarten aus dem AADG bieten einen exemplarischen Einblick in typische Variationsphänomene des Deutschen im Bereich des Gebrauchsstandards:

Duden-Aussprachewörterbuch: Das im Projektrahmen erarbeitete Wissen zur Aussprachevariation im Deutschen ist seit 2015 in die Überarbeitung des Duden-Aussprachewörterbuchs eingeflossen (7. Auflage (2015), 8. Auflage  (2023)), die vom IDS übernommen wurde.

Ratespiel: Im Zuge einer Präsentation des Projekts auf dem Wissenschaftssommer 2007 in Essen wurde ein Ratespiel programmiert, in dem kurze Passagen aus dem Spontanmaterial des Korpus "Deutsch heute" aufgrund der regionalen Sprachmerkmale ihren Herkunftsorten zugeordnet werden müssen: Hör mal, wo der spricht kann seitdem auch online gespielt werden.

Ausgewählte Projektpublikationen:

  • Kleiner, Stefan/Knöbl, Ralf/Mangold, Max (2015): Duden – Das Aussprachewörterbuch. 7., komplett überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin: Dudenverlag.
  • Deppermann, Arnulf/Kleiner, Stefan/Knöbl, Ralf (2013): 'Standard usage': Towards a realistic conception of spoken standard German. In: Auer, Peter/Reina, Javier Caro/Kaufmann, Göz: Language Variation - European Perspectives IV. Selected papers from the Sixth International Conference on Language Variation in Europe (ICLaVE 6), Freiburg, June 2011. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (SILV 14), S. 83-116. PDF
  • Knöbl, Ralf (2014): Variation im Standard. Formale und funktionale Variationsaspekte des gesprochensprachlichen Gebrauchs indefiniter Referenzierungsformen. In: Bühler, Rudolf/Bürkle, Rebekka/Leonhardt, Nina Kim (Hg.): Sprachkultur – Regionalkultur. Neue Felder kulturwissenschaftlicher Dialektforschung. Tübingen: TVV-Verlag, S. 154-185. (Studien und Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen 49). PDF
  • Kleiner, Stefan (2010): Zur Aussprache von nebentonigem -ig im deutschen Gebrauchsstandard. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 77 (3), S. 259-303. PDF

Kontakt: Dr. Stefan Kleiner, kleiner(at)ids-mannheim.de; Dr. Ralf Knöbl, knoebl(at)ids-mannheim.de