Standardvariation
Wie viel Variation verträgt die deutsche Standardsprache?
9.-11. März 2004
Es gibt keine völlig einheitliche Sprache. Die Normierung der Standardsprache zielt zwar auf "die Sprache", die jenseits der Unterschiede des alltäglichen Sprachgebrauchs als Leitbild und Ziel für Sprachlernen, Sprachbewertung und Sprachpolitik dient. Aber, wie die Geschichte des Deutschen und sein gegenwärtiger Zustand zeigen, kennt selbst diese normierte Standardsprache immer ihre Varianten. Diese Variation kann unterschiedliche Gründe haben. Mag sie in den Zeiten der Durchsetzung des Standards darauf zurückzuführen sein, dass die Standardsprache sich noch nicht überall etabliert hat, so dass andere regional und sozial geprägte Sprachformen daneben fortbestehen, so zeugt sprachliche Variation immer auch davon, dass unterschiedliche Zwecke der Kommunikation auch nach entsprechenden sprachlichen Unterschieden verlangen.
Die deutsche Sprache ist in einem historischen Prozess der Ausbreitung und des Ausbaus von regionalen und sozialen Leitvarietäten entstanden und durch Standardisierungsanstrengungen stabilisiert worden. So ist sie im gesamten deutschen Sprachgebiet verbreitet und durchgesetzt: es gibt kaum noch deutschsprachige Sprechergruppen, die keinen Zugang zur Standardsprache haben. Nach dem Höhepunkt der gesellschaftlichen Ausrichtung auf die standardsprachliche Norm und auf damit verbundene Vorstellungen von angemessenen Formulierungsmustern und vom "guten Stil" im ausgehenden 19. Jahrhundert hat sich inzwischen eine veränderte Sprachorientierung durchgesetzt, die von einer erhöhten Flexibilität im Umgang mit standardsprachlichen Normen und einer erhöhten Akzeptanz von Variation im Standard geprägt ist.
Angesichts dieser Sachlage verfolgt die Jahrestagung des IDS folgende Fragestellungen:
Welche Konzepte stehen hinter Wörtern wie "Standardsprache" und wie haben sich diese begrifflichen Vorstellungen entwickelt? Wie ist das Verhältnis von Standard und Variation zu bestimmen und wie verhalten sich die auf Einheitlichkeit und auf Vielfalt ausgerichteten Entwicklungen zueinander? Diese Frage zielt nicht nur auf den aktuellen Sprachzustand, sondern auch auf den Platz dieser gegenläufigen Entwicklungen im Sprachwandel. Welche Bedingungen haben die Standardisierung und die Durchsetzung sprachlicher Normen gestützt, und welche Faktoren fördern den Prozess der Destandardisierung und damit die Abschwächung der bedingungslosen Verbindlichkeit von Standardnormen?
Von welchen Sachverhalten ist eigentlich die Rede, wenn von Variation im Standard gesprochen wird und wie ist der aktuelle Stand der Beschreibung der Variationsbreite innerhalb des faktisch gebrauchten Standards? Welche Entwicklungstendenzen werden hierbei auf den verschiedenen Ebenen der sprachwissenschaftlichen Beschreibung sichtbar? Wie bedeutsam ist die Unterschiedlichkeit, die sich durch die sprachlichen Eigenheiten in den verschiedenen deutschsprachigen Ländern ergibt? Rechtfertigen die Befunde eine Einschätzung, dass wir uns gegenwärtig in einer "Nach-Standard-Periode" befinden?
Welche Konsequenzen hat solch ein Befund für Bereiche des sprachlichen Lebens, in denen die Orientierung an Normen und an den Anforderungen des Standards eine herausgehobene Rolle spielen? Welche Probleme werden aus der Außensicht deutlich, wie kommen Auslandsgermanisten mit der Diskrepanz zwischen dem in ihrer Lage wesentlichen Wunsch nach einer verlässlichen Norm und der erhöhten Vielfalt zurecht? Wo liegen die Grenzen einer sinnvollen Normativität? Diese Frage betrifft einerseits die verschiedenen Norminstanzen, die herausgehobenen Träger der Norm, auf die sich die Sprachgemeinschaft bei Zweifeln in Norm und Standardfragen bezieht, andererseits die Fälle und Gelegenheiten, bei denen die Normierungen des Standards in kreativer Freiheit überschritten werden?
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Weitere Informationen zur 40. Jahrestagung: jahrestagung(at)ids-mannheim.de |