Kolloquium:
Konzessive Konnektoren und Konzessivität im Sprachvergleich

Kolloquium am IDS Mannheim, 21. November, 2003

Abstracts

Bernd Kortmann: Konzessive Konnektoren und Konzessivität aus typologischer Perspektive

Im Rückgriff auf Publikationen unterschiedlicher Forschungstraditionen seit Mitte der 90er Jahre (vor allem Kortmann 1997, 1999 und Couper-Kuhlen/Kortmann 2000) sollen die zentralen Diskussionspunkte des Kolloquiums, wie sie in der Programmankündigung ausgeführt sind, aus typologischer Perspektive beleuchtet werden. Der Vortrag verfolgt vordringlich zwei Ziele: einerseits soll Kontroverses von Nicht-Kontroversem in der aktuellen Konzessivitätsforschung getrennt werden; andererseits soll ausgelotet werden, welchen Beitrag die Sprachtypologie zur einzelsprachlichen Beschreibung der Ausdrucksmittel von Konzessivität leisten kann.

Literatur:

Couper-Kuhlen, Elizabeth/Bernd Kortmann, eds. 2000. Cause - Condition – Contrast - Concession. Cognitive and Discourse Perspectives. Berlin/New York: Mouton de Gruyter.

Kortmann, Bernd. 1997. Adverbial Subordination. A Typology and History of Adverbial Subordinators Based on European Languages. Berlin/New York: Mouton de Gruyter.

Kortmann, Bernd. 1999. “Iconicity, Typology and Cognition”. In: Max Nänny/Olga Fischer, eds. Form Miming Meaning: Iconicity in Language and Literature. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins. 375-392.

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Eva Breindl: Konzessivität und konzessive Konnektoren im Deutschen

Konzessivität kann im Deutschen durch eine Vielzahl spezifischer monofunktionaler Satzverknüpfer ausgedrückt werden, unter denen sich subordinierende Konjunktionen (obgleich, obwohl, obzwar, wenn auch, wenngleich, wennschon, wiewohl, gleichwohl) und adverbiale Konnektoren (dennoch, nichtsdestotrotz, nichtsdestoweniger, trotzdem, ungeachtet dessen, unbeschadet dessen), aber keine koordinierenden Konjunktionen finden. Diese Ausdrücke lassen sich nach mehreren Dimensionen systematisieren: syntaktisch nach Wortartzugehörigkeit, Wortbildungsmorphologie und Etymologie sowie nach ihren syntagmatischen Eigenschaften (topologisches Verhalten, Rektionseigenschaften und Verkettungsverfahren). Semantisch nach ihrer Argumentstruktur, vor allem aber auch nach dem Typ ihrer möglichen Relata (den „Verknüpfungsebenen“ nach Sweetser 1990, für Konzessiva beschrieben bei Crevels 2000): Sachverhalte, Annahmen und Urteile, Sprechakte. Im Vergleich mit Struktur und Eigenschaften anderer Relationsklassen ergibt sich so eine erste Verortung der Konzessiva im Deutschen auf der Landkarte satzverknüpfender Ausdrücke. Dabei zeigt sich, dass Konzessiva im Deutschen Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten mit mehreren Relationen haben, was in Anbetracht der semantischen Komplexität der Konzessivrelation (sie verknüpft strukturierte Propositionen) nicht überrascht: mit Konditionalität und Kausalität teilt sie die Möglichkeit der Mehr-Ebenen-Verknüpfung; Konditionalität ist diachron die Hauptquelle für die konzessiven Konnektoren des Deutschen, während synchron vor allem gegenüber adversativen Konnektoren keine scharfe Grenze existiert, - was sich etwa  in heterogenen und widersprüchlichen Darstellungen des Verhältnisses von Adversativität und Konzessivität in der Literatur niederschlägt (vgl. Umbach/Stede 1999).

Neben den kontext­unabhängig konzessiven Konnektoren können im Deutschen einige genuine Kontrast- oder Kookkurrenzmarker eine kontextspezifische Konzessivinterpretation haben: und, aber, doch, jedoch, dabei, wobei, dafür dass etc. (vgl. z.B. Heine 2002). Hier soll herausgearbeitet werden, welche Prinzipien bei der konzessiven Weiterinterpretation nichtkonzessiver Ausdrücke wirksam sind.

Literatur:

Crevels, Mily (2000): Concessives on different semantic levels. In: Couper-Kuhlen, Elizabeth/ Kortmann, Bernd (Hgg.): Cause, Condition, Concession, Contrast. Cognitive Processes and Discourse Perspectives. Berlin, New York: de Gruyter. (Topics in English Linguistics 33), S. 313-339.

Heine, Bernd (2002): On the role of context in grammaticalization. In: Wischer, Ilse/ Diewald, Gabriele (Hgg.): New reflections on grammaticalization. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins. (Typological Studies in Language 49), S. 83-102.

Sweetser, Eve E. (1990): From Etymology to Pragmatics. Metaphorical and Cultural Aspects of Semantic Structure. Cambridge u.a.: Cambridge University Press

Umbach, Carla/ Stede, Manfred (1999): Kohärenzrelationen: Ein Vergleich von Kontrast und Konzession. In: KIT Report (FB Informatik, TU Berlin) 148, S. http://flp.cs.tu-berlin.de/publikationen/kit/r148/Kohaerenzrelationen.pdf

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Ad Foolen: Konzessive Ausdrücke im Niederländischen

Zwei Behauptungen stehen in einer Kontrastbeziehung, wenn es bemerkenswert ist, dass die erwähnten beiden Tatsachen in einem zeitlichen Zusammenhang (gleichzeitig, direkt nacheinander) stehen. Anders gesagt: Man würde nicht erwarten, dass wenn P der Fall ist, auch Q der Fall ist. Die Kontrastbeziehung kann aus den Inhalten der Behauptungen hervorgehen, wie in: Es regnet und die Sonne scheint!, wobei keine explizite Markierung auftritt, aber sie kann auch explizit markiert werden. Wenn die Markierung im zweiten Konjunkt auftritt, nennen wir sie adversativ (Es regnet, und trotzdem scheint die Sonne), wenn sie im ersten Konjunkt auftritt konzessiv (Obwohl es regnet, scheint die Sonne). Eine Besonderheit konzessiv markierter Sätze ist es, dass sie manchmal auch nachgestellt werden können: Die Sonne scheint, obwohl es regnet. Wir interpretieren hier das zweite Konjunkt aber als dasjenige, das die Erwartung erweckt (in diesem Beispiel die Erwartung, dass die Sonne nicht scheinen würde). In dem Sinne ist es doch das erste Konjunkt.

Bei den konzessiven Ausdrücken fällt zuerst auf, dass es davon relativ viele gibt, viel mehr als bei anderen Beziehungstypen (konjunktiv, disjunktiv, kausal, temporal, usw.). Auch kategorial gibt es bei den konzessiven Ausdrücken Variation:

1. Subordinierende Konjunktion (+ Verb-letzt): hoewel, alhoewel, ofschoon, ondanks dat, toegegeven dat, niettegenstaande dat.

2. Konjunktionales Adverb (+ Verb-zweit): al, ook al, al …ook, weliswaar, of …ook.

3. Modale Verben: mogen (+ dan) (= Deutsch dürfen), kunnen (selten benutzt)

4. Spezielle Konstruktionen, u.a. Verb-erst-Konstruktion.

Bei den Konjunktionen und Adverbien fällt auf, dass die Ausdrücke oft eine Stapelung mehrerer Formen beinhalten: hoe-wel, wel-is-waar, usw. Das Maß, in dem die Formen eine Einheit geworden sind (Grammatikalisierungsgrad), variiert, was zum Teil auch in der Schreibweise (zusammengeschrieben oder nicht) zum Ausdruck kommt.

Zweitens, und das gilt für alle konzessiven Ausdrücke, fällt auf, dass all diese Formen auch außerhalb des konzessiven Bereichs Funktionen erfüllen: affirmative Partikel (wel), additive Fokuspartikel (ook, al), Fragepartikel (hoe, D. ‚wie’, fungiert als modales Fragewort, of, D. ‚ob’ leitet eingebettete ja/nein-Fragen ein.

In meinem Beitrag werde ich die niederländischen Markierungen der Konzessivität mit den Markierungen im Deutschen kontrastieren und versuchen, ‚warum’-Fragen, zu denen die konzessiven Markierungen Anlass geben, zu beantworten: Warum so viele konzessive Ausdrücke, warum die Stapelungen, warum gerade diese anderen Gebrauchsweisen. Insbesondere stellt sich die Frage, warum gerade Ausdrücke, die auch im Fragebereich benutzt werden (of und hoe), im konzessiven Bereich angewandt werden. Was haben Frage und Konzession gemeinsam?

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Eberhard Gärtner: Konzessive Konstruktionen im Portugiesischen

Die Konzessivrelation, deren logisch-semantische Subtypen zunächst dargestellt werden, hat im Portugiesischen zahlreiche formalgrammatische Ausdrucksmittel, die in einem zweiten Schritt aufgelistet und kommentiert werden.

Es lassen sich unterscheiden: (1) implizite Konzessivität, (2) explizite Konzessivität bei Verben ohne TMA-Morphem und (3) explizite Konzessivität bei Verben mit TMA-Morphem.

Als Konnektoren bei Verben ohne TMA-Morphem treten einfache und zusammengesetzte Präpositionen, Adverbien und einfache und zusammengesetzte Konjunktionen auf. Bei Verben mit TMA-Morphem treten einfache und zusammengesetzte Konjunktionen auf. Der Modus im Konzessivsatz ist in der Gegenwartssprache idiosynkratisch und grammatikalisiert für die einzelnen Konjunktionen festgelegt. Der dominante Modus ist der Konjunktiv (conjuntivo/subjuntivo). Auf der Grundlage der TMA-Morpheme in Matrix-und Konstituentensatz lassen sich drei semantische Subtypen von Konzessivsätzen ausmachen: (1) reale, (2) potentielle und (3) irreale Konzessivsätze.

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Una Patzke: Konzessivität im Russischen

Die Konzessivität stellt semantisch wie auch funktional ein komplexes und vielschichtiges System differenzierter Beziehungen dar. Im Russischen verfügt sie über eine Vielzahl von (in der Regel polyfunktionalen) sprachlichen Ausdrucksformen, die mit Elementen des Kontextes interagieren. Das funktional-semantische Feld konzessiver Relatoren umfasst unter anderem
Konjunktionen (z.B. chotja, chot', pust')
Partikeln (z.B. konečno, dejstvitel'no)
Adverbialbestimmungen (z.B. vse-taki, vse že)
Präpositionen (z.B. nesmotrja na, pri, vopreki)
verbale Strukturen (z.B. možet byt', dopustim, razumeetsja).

Dieses funktional-semantische Feld soll beschrieben und Ansätze zu seiner Strukturierung in Kern und Peripherie sowie zur Subklassifikation der Relatoren diskutiert werden. Dabei spielen formale (z.B.morphologisch-syntaktische Struktur, Grad der Grammatikalisierung), semantische (Typen der Konzessivität, Polyfunktionalität der Relatoren) und kommunikativ-pragmatische Aspekte (Fokussierung der Teile der Relation, Versprachlichung der impliziten Komponenten der konzessiven Relation, argumentative Strategien) eine Rolle. Generell wie auch speziell an der Peripherie der Kategorie muss das Konzept Konzessivität von verwandten Konzepten, z.B. Adversativität, Konditionalität oder Kausalität abgegrenzt werden bzw. es werden Interrelationen und Überschneidungsbereiche vorgestellt. Als prototypisch zum Ausdruck von Konzessivität im Russischen werden häufig Sätze mit chotja (dt. obwohl) angesehen, dessen Semantik, Funktion und Distribution im Vergleich mit dem deutschen obwohl genauer untersucht werden sollen.

Kolloquiums-Programm

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