Projekt "Kommunikative soziale Stilistik"

Theoretischer Ansatz für ein allgemeines Modell der Bildung kommunikativer sozialer Stile

Kommunikativer Stil ist von zentraler Bedeutung für die Symbolisierung von sozialer Identität. In der sprachlichen Selbstdefinition und Fremdwahrnehmung orientieren sich die Beteiligten einerseits an leicht fassbaren Einzelphänomenen, die den Charakter von Schlüssel-Elementen bekommen, andererseits an der holistischen Wahrnehmung des kommunikativen Handelns, wobei Erscheinungen ganz unterschiedlicher Art eine Rolle spielen wie pragmatische Regeln für die kontextbezogene Wahl von Unterhaltungsthemen, Höflichkeit oder Konfliktbehandlung, die Verwendung von Ausdrucksweisen für die soziale Charakterisierung von sich und anderen oder formelhaftes Sprechen. Die Verknüpfung der Erscheinungen auf den unterschiedlichen sprachlichen Ebenen machen den kommunikativen sozialen Stil der Sprecher aus. Im kommunikativen sozialen Stil verarbeiten die Akteure soziale und sprachliche Bedingungen ihrer gesellschaftlichen Existenz. Dazu gehören u.a. die folgenden Zusammenhänge:
  • Sozialökologie und pragmatische Regeln. Die Strukturierung des kommunikativen Handelns in Relation zu den sozialräumlichen und ökonomischen Spielräumen zeigt sich besonders deutlich an der Regulierung der sozialen Distanz und der möglichen Geltungsansprüche des Individuums in der Gesellschaft sowie der Regelung der grundlegenden Tauschbeziehungen (Geben und Nehmen, wechselseitige Hilfe, Solidarität usw.).
  • Die Verarbeitung von Erfahrungen zur Soziosemantik, d.h. der spezifischen Prägung des Sozialwortschatzes und der Ausdrucksformen für soziale Eigenschaften und ihre Bewertung.
  • Die Auseinandersetzung mit kommunikativen Normen und Leitvorstellungen des sozialen Handelns. Beispiele sind die Diskussion um die "politische Kultur" bzw. die "Streitkultur" oder die Vorstellungen von Anstand, Schicklichkeit und gutem Geschmack. Das Streben nach "Kultivierung" weckt immer wieder auch Widerstand und gerät in Widerspruch zu anderen Leitvorstellungen, z.B. der Natürlichkeit und des Ursprünglichen, ggf. auch einer demonstrativen Betonung des Groben und Hässlichen in bestimmten Subkulturen.
Die Organisation eines Ausdruckssystems für die Symbolisierung sozialer Identität gestattet den Angehörigen einer sozialen Welt, auf ökonomische und kommunikativ sehr wirksame Weise sich sozial zu verorten, im sozialen Raum für andere wahrnehmbar präsent zu sein. Sie können ihren kommunikativen Stil als Identitätssymbol einsetzen bei ihrer Abgrenzung gegen andere und "politisch" nutzen, z.B. bei der Durchsetzung von Rechten und bei der Auseinandersetzung um Ressourcen.

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