Nachruf auf Gerhard Strauß

Am 18. März 2006 verstarb Gerhard Strauß im Alter von 64 Jahren, unmittelbar vor Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Erreichen seines wohlverdienten Ruhestandes. Er erlag der vor fünf Jahren festgestellten Erkrankung, die ihn im Spätjahr 2005 erneut einholte.

Gerhard Strauß wurde am 21.4.1941 in Fürth, Bayern geboren, wo er auch 1962 nach dem Besuch des Friedrich-Hardenberg-Gymnasiums das Abitur ablegte. Von 1962 an studierte er an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg neben evangelischer Theologie, Mittlerer und Neuerer Geschichte sowie Anglistik vor allem Deutsche Philologie und Literaturgeschichte und promovierte 1974 über den "Bürgerlichen Roman in Deutschland zwischen Spätaufklärung und Realismus".

1975 kam er ans Institut für deutsche Sprache und trat in das damalige Team um Alan Kirkness ein, das, zunächst im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes, dann in den Mitarbeiterstab des Instituts integriert, mit der Fertigstellung des von Hans Schulz und Otto Basler begonnenen historischen Deutschen Fremdwörterbuchs betraut war. Nachdem Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre die fehlende Alphabetstrecke R-Z bearbeitet war, beteiligte er sich noch bis 1982 an der Endredaktion. Dann erschloss sich ihm im Rahmen der damaligen Abteilung Grammatik und Lexik ein neues Betätigungs- und Wirkungsfeld in der Erforschung des politischen Wortschatzes, deren Ergebnisse in dem Lexikon "Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist", einem umfangreichen Nachschlagewerk zum öffentlichen Sprachgebrauch, ihren Niederschlag fanden. Auch etliche Veröffentlichungen und Vorträge, so zusammen mit Gisela Zifonun insbesondere zur Wortsemantik, gingen flankierend aus diesem Umfeld hervor.

Zu Beginn der 90er Jahre begann er mit den Vorbereitungen eines Projekts zur Neubearbeitung des Fremdwörterbuchs, das die mit der Fertigstellung R-Z bereits erreichten neuen Standards auf die Buchstabenstrecke A-Q übertragen sollte. 1992 wurde er dann offiziell mit der Leitung des Projekts betraut. Seitdem wurden nach Maßgabe der vorgegebenen und kontinuierlich weiterentwickelten Ansprüche und Möglichkeiten der lexikographischen Praxis die ersten fünf Bände der Neubearbeitung mit wechselnden Teams fertiggestellt.

Den in Arbeit befindlichen 6. Band kann Gerhard Strauß leider nicht bis zum Ende begleiten. Die letzten Artikel, die er verfasst hat, und die ersten Redaktionen der von Mitarbeitern beigetragenen Artikel gehen aber ein in diesen Band und legen Zeugnis ab von dem, was seine Arbeit in all den Jahren ausgezeichnet hat, nämlich der Fähigkeit, sich beiden Aufgaben, dem Redigieren und Verfassen von Wortartikeln, mit gleicher Hingabe und Kompetenz zu widmen. Er beherrschte die Kunst, den Ausgleich herzustellen zwischen der für die konzeptionelle und redaktionelle Außensicht unabdingbaren Distanz auf der einen und der für das Eindringen in den Prozess der Artikelverfassung notwendigen Innensicht und Nähe zum Gegenstand auf der anderen Seite. Eine Kunst, die in der linguistischen Landschaft selten genug auf Anerkennung oder gar Bewunderung stößt. Umsomehr wird diese Fähigkeit von jenen geschätzt, die darauf eine lange Zeit bauen konnten. Aber nicht nur in fachlicher Hinsicht haben die Mitarbeiter mit dem Tod von Gerhard Strauß viel verloren, auch seine ruhige, bescheidene Art und seinen kollegial-unprätentiösen Stil der Projektleitung werden wir vermissen.

Der Nachruf wurde verfasst von Isolde Nortmeyer