Projekt "Interaktive Bedeutungskonstitution"

Aufbau von Multi-Unit-Turns

Bei der Konstruktion von Multi-Unit-Turns werden syntaktische Strukturen, Handlungen und Bedeutung inkrementell aufgebaut. Dabei kommen unterschiedliche aus mindestens zwei Teilsätzen bestehende grammatische Konstruktionen (u.a. satzwertige Nachfeldbesetzungen, Koordination und Pseudokoordination, asyndetische Reihungen mit und ohne Konnektoren) zum Einsatz. Wir beschreiben einige ausgewählte Konstruktionen, die empirisch bisher nicht oder wenig untersucht sind, hinsichtlich ihrer Form und Funktion. Untersucht werden ihre syntaktische und sequenzielle Einbettung, ihre projizierenden oder beitragsexpandierenden Funktionen, die semantische Relation zwischen den Teilsätzen sowie die ausgeführten verbalen Handlungen.

Beispiele sind Rechtsversetzungen und Pseudokoordinationen. Erstere ergeben sich häufig aus der Expansion bereits abgeschlossener, anaphorischer Redebeiträge. Sie ermöglichen Präzisierungen und Reinterpretationen (aber das hab ich nicht MITbekommen. (0.32) dass es da so YOUtubevideos gab.) und damit eine inkrementelle und auch interaktive Bedeutungskonstitution. Letztere erleichtern zwar ebenfalls einen inkrementellen Turnaufbau und eine leicht zu verarbeitende Informationsportionierung durch sukzessive Referenteneinführung (da kommt ihrn ausbilder REIN, (0.35) und und wEEß eigentlich gar net was er heit mit ihne MAchen soll.). Sie zeichnen sich aber, v.a. bei bestimmten Verben im ersten Konjunkt (z.B. kommen), häufig dadurch aus, dass der erste Teilsatz nicht alleine stehen kann, sondern den zweiten Teilsatz erwartbar macht und diesem semantisch gesehen untergeordnet ist. Beide Konstruktionen sind jedoch sowohl projizierend als auch expandierend verwendbar. Sie ermöglichen somit differenzierte Einsichten in das Zusammenspiel der syntaktischen, lexikalischen und prosodischen Ebene bei der Einheitenbildung und Bedeutungskonstitution im Rahmen von Multi-Unit-Turns.

Publikationen:

  • Deppermann, Arnulf / Proske, Nadine (2015): Grundeinheiten der Sprache und des Sprechens. In: Dürscheid, Christa / Schneider, Jan-Georg (Hg.): Handbuch Satz, Äußerung, Schema. Berlin/Boston: de Gruyter, S. 17-47.
  • Proske, Nadine (2015): Die Rolle komplexer Nachfeldbesetzungen bei der Einheitenbildung im gesprochenen Deutsch. In: Vinckel-Roisin, Hélène (Hg.): Das Nachfeld im Deutschen. Theorie und Empirie. Berlin/Boston: de Gruyter, S. 279-297.
  • Proske, Nadine (i.Dr.): Perspektivierung von Handlungen und Zuschreibung von Intentionalität durch pseudokoordiniertes kommen. In: Deppermann, Arnulf / Proske, Nadine / Zeschel, Arne (Hg.): Verben im interaktiven Kontext. Bewegungsverben und mentale Verben im gesprochenen Deutsch. Tübingen: Narr.
  • Proske, Nadine / Deppermann, Arnulf (i.V.): Between projection and expansion: 'right dislocated' dass-complement clauses in German. In: Keevallik, Leelo / Lindström, Jan / Maschler, Yael / Pekarek Doehler, Simona (Hg.): Clause-combining and the multi-semiotic organization of social actions: projection and emergence in interaction. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins.

Ansprechpartner: Dr. Nadine Proske, proske(at)ids-mannheim.de