Leitidee "Demokratisierung"

Wenn es in Bezug auf das 20. Jahrhundert stimmt, dass "'Demokratie' .. die eigentliche Idealumschreibung aller Systeme politischer und sozialer Organisation" (Küchenhoff 1967, 654; zit. nach Geschichtliche Grundbegriffe I 898) ist, dann heißt ein grundlegendes gesellschaftliches und politisches Prinzip des andererseits als 'Zeitalter der Extreme' (Hobsbawm) apostrophierten 20. Jahrhunderts Demokratie bzw. Demokratisierung. Die Extreme des 20. Jahrhunderts manifestieren sich in Demokratisierungs- und Entdemokratisierungserscheinungen, deren Beginn bzw. Ende jeweils als Zäsur darstellbar ist.

Vorauszusetzen ist, dass Demokratie/Demokratisierung nicht nur im engen Sinn eines politischen Prinzips der Beteiligung des Volkes an staatlicher Machtausübung und an staatlichen Machtverhältnissen verstanden wird, sondern auch im weiteren Sinn eines auf Gleichberechtigung zielenden kulturellen Gesellschaftsprinzips der Entprivilegierung. Die Gesellschaften des 20. Jahrhunderts stehen in diesem weiteren kulturellen Sinn in der Kontinuität bzw. Diskontinuität der Demokratisierung.

Insofern ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts auch eine Geschichte der sprachlichen Demokratisierung, genauer: der Entwicklung von in weitestem Sinn politisch-sozialen Wortschätzen und von in weitestem Sinn demokratischen Kommunikationsformen, die im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen jeweils neue Ausprägungen erhalten.

Mit Bezug auf das zentrale gesellschaftliche Grundprinzip der Demokratie/Demokratisierung (einschließlich seiner Negation) ist die (Sprach)geschichte des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet von phasenweise je spezifischen diskursiven Ausprägungen bzw. Richtungswechseln dieses Prinzips. Ihre Erscheinungsformen sind jeweils zueinander in Beziehung zu setzen.

Dass die Demokratiegeschichte des 20. Jahrhunderts von Rückschlägen und Schüben eher denn von einer linearen Entwicklung gekennzeichnet ist, lässt sich umbruchgeschichtlich mit diesem Modell einer Diskurs- und Konzeptgeschichte präzisieren, indem sie die Mikroprozesse der einzelnen Umbruchphasen (und ihre sprachlichen Phänomene) zueinander in Beziehung setzt und als Makroprozess in das zeitliche Kontinuum des 20. Jahrhunderts einfügt, Periodengrenzen präzisiert und die diskursive Dynamik innerhalb einer Periode erklärt.