Verständlichkeit von Verwaltungssprache

Wie Verwaltungssprache verständlicher gemacht werden kann, ist eine Frage, die schon länger an der Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Rechts- bzw. Verwaltungswissenschaft diskutiert wird. Es ist aber über Bürgerbefragungen weiterhin nachgewiesen, dass es eine hohe Barriere der Verständlichkeit aufseiten der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Texte der Verwaltung gibt. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache ist bei verschiedenen aktuellen landes- wie bundesweiten Projekten als wissenschaftlicher Kooperationspartner tätig. Das Ziel der Projekte ist, Verwaltungssprache für Bürgerinnen und Bürger verständlicher zu gestalten und eine Form der Nachhaltigkeit dieser Bemühungen zu erreichen.

Wissenschaftliche Begleitung des Bundesprojekts "Bürgernahe Sprache"

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Das Projekt "Bürgernahe Sprache" hat die wissenschaftliche Begleitung der nachhaltigen Etablierung einer bürgernahen und geschlechtergerechten Sprache in der Finanzverwaltung zur Aufgabe. Auftraggeber ist das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium der Finanzen, zusammen mit den Finanzministerien von Bund und Ländern. Auf der Basis eines Beschlusses der Finanzministerinnen und Finanzminister im Mai 2018 wurde ein Lenkungskreis unter dem gemeinsamen Vorsitz von Nordrhein-Westfalen und dem Bund eingerichtet, der notwendige Handlungsfelder identifizieren und priorisieren, eine Bestands- und Strukturanalyse durchführen und Vorschläge zur praktischen Umsetzung für die identifizierten Handlungsfelder erarbeiten soll.

Die Erstellung eines Regelwerks zu sprachlichen und gestalterischen Richtlinien, die breitflächige Überarbeitung von Texten der Steuerverwaltung (z. B. Vorlagen/Musterschreiben, Erläuterungstexte im Steuerbescheid, BMF-Schreiben, Anleitungstexte zu den Steuererklärungsvordrucken in Mein ELSTER) oder die Entwicklung eines Schulungskonzeptes zur dauerhaften Qualitätssicherung sind in verschiedenen Untergruppen aus Beteiligten aller Finanzverwaltungen von Bund und Ländern die Aufgaben im Großprojekt "Bürgernahe Sprache".

Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache begleitet mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Abteilungen als wissenschaftlicher Kooperationspartner das Projekt. Dabei bietet das IDS Schulungen zum Thema "Bürgernahe Sprache" an, berät den Lenkungskreis und die Unterarbeitsgruppen (z. B. durch Sitzungsbegleitungen oder das Verfassen von Gutachten) und wirkt bei der Planung und Durchführung einer Wirksamkeitsanalyse mit. Mithilfe empirischer Studien soll die Verständlichkeit der überarbeiteten Texte an Bürgerinnen und Bürgern, an die die Texte gerichtet sind, getestet werden.

Schulung und Beratung

Dr. Astrid Adler, Dr. Sandra Hansen, Dr. Christine Möhrs (Projektleitung), Dr. Albrecht Plewnia, Maria Ribeiro Silveira, Dr. Sascha Wolfer

Online-Umfrage zur Verständlichkeit von Steuertexten: Auswertung abgeschlossen

Zwischen Januar und März 2021 hat das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) Bürgerinnen und Bürger über verschiedene Medien dazu aufgerufen, die Verständlichkeit von Texten der Steuerverwaltung zu bewerten und aktiv an der Verbesserung der Verwaltungssprache mitzuwirken. Interessierte konnten bei einer Pilotstudie (Online-Umfrage) des IDS teilnehmen, die von der Steuerverwaltung im Projekt „Bürgernahe Sprache“ in Auftrag gegeben wurde. Insgesamt haben sich rund 2900 Personen beteiligt.

In der Online-Umfrage wurden bürgernah formulierte Texte auf ihre Verständlichkeit hin getestet. Die Beispieltexte in der Studie stammten aus den Erläuterungstexten zum Einkommensteuerbescheid sowie den Ausfüllhilfen zur Grundsteuer. Über verschiedene Aufgabenstellungen bewerteten die Testpersonen ausgewählte Texte in Vorher- und/oder Nachher-Versionen. Die Nachher-Texte, die nach Kriterien einer bürgernahen Sprache überarbeitet waren, wurden größtenteils deutlich besser bewertet als die Ursprungstexte bzw. Vorher-Versionen. Kürzere Sätze, Verben statt Substantiven, eine persönlichere Ansprache - diese und weitere Aspekte gehören im Projekt zu Kriterien einer bürgernahen Sprache. Sie konnten in der Pilotstudie als Kriterien bestätigt werden, die Texte für ihre Rezipienten verständlicher machen.

Das Ziel der Umfrage war es, Bürgerinnen und Bürger zu ihren Eindrücken zu befragen und aus den Ergebnissen Rückschlüsse auf die Verständlichkeit der Texte zu ziehen. Die eigentlichen Adressatinnen und Adressaten von Steuertexten wurden so in direkter Weise auch in das Projekt eingebunden.

Die Auswertung der Pilotstudie ist abgeschlossen und eine Zusammenfassung der Eckdaten zur Online-Umfrage sowie zu den Ergebnissen kann hier eingesehen werden: Zusammenfassung - Pilotstudie

Auf Anfrage stellen wir auch den gesamten Bericht zur Verfügung (Kontakt über Dr. Christine Möhrs, Projektleitung).

AKTUELL: Interview-Studie zur Verständlichkeit von Steuertexten (in Arbeit)

Im Rahmen des Projekts „Bürgernahe Sprache in der Finanzverwaltung“ wurde 2023/2024 eine Interview-Studie mit rund 200 Teilnehmenden durchgeführt. Ziel war es, detaillierte Einblicke in die Wahrnehmung und Verständlichkeit von Steuertexten durch Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen.

Im Gegensatz zur vorherigen Online-Umfrage, die kurze Textbausteine untersuchte, bewerteten die Testpersonen in Face-to-Face-Interviews komplette, realitätsnahe Texte aus drei Kategorien:

  • Anleitungen zur Steuererklärung
  • Schreiben zu steuerlichen Themen
  • Erläuterungstexte aus Steuerbescheiden

Die Testgruppe war bewusst vielfältig zusammengesetzt (Alter, Bildungsstand, Berufserfahrung), jedoch ohne steuerrechtlich geschulte Personen, um eine echte Laiensicht zu gewährleisten. Die Studie soll zeigen, ob die Vorteile der bürgernahen Sprache auch im Praxis-Test bestehen. Sobald die Auswertung abgeschlossen ist, berichten wir darüber.

Kooperationsprojekt mit dem Normenkontrollrat Baden-Württemberg

Von Bürgerinnen und Bürgern sowie von mittelständischen Unternehmen wird zu Recht kritisiert, dass Gesetzes- und Verordnungstexte, aber auch Formulare, behördliche Verfügungen und Merkblätter häufig unverständlich seien. Dies wird als unnötige Bürokratie wahrgenommen.

Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg hat daher das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache beauftragt, eine Handreichung zu erarbeiten, die dazu dienen soll,

  • Beschäftige der öffentlichen Verwaltungen bei der Formulierung von behördlichen Texten auf die Fallstricke der Verständlichkeit hinzuweisen,
  • Kompetenzen für normadressatengerechte Text- und Formulargestaltung aufzubauen,
  • Beschäftigte der öffentlichen Verwaltungen mithilfe konkreter Beispiele einer verständlichen Sprache und insbesondere auch mit Graphikmodellen zur Visualisierung komplexer Sachverhalte zu unterstützen und
  • als Seminarunterlage für Qualifizierungsmaßnahmen von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eingesetzt zu werden, die über die Führungsakademie Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem IDS angeboten werden.

Publikation

Lobin, Henning/Möhrs, Christine/Plewnia, Albrecht (2019): Wie kann die Verständlichkeit behördlicher Texte verbessert werden? Eine Handreichung für die öffentliche Verwaltung in Baden-Württemberg. Stuttgart/Mannheim: Normenkontrollrat Baden-Württemberg/Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS). 52 Seiten. [Download der Broschüre]

IDS bringt sich in Vielfaltskooperation "Mannheim leicht erklärt" ein

Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) ist Partner im Projekt „Mannheim leicht erklärt in Aktion“, das in der Förderperiode 2025 Teil der Mannheimer Vielfaltskooperationen ist. Ziel des vom Bundesprogramm Demokratie leben! geförderten Projekts ist es, Informationen in Einfacher Sprache bereitzustellen und so gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Das IDS bringt seine wissenschaftliche Expertise insbesondere zur Verständlichkeit von Verwaltungssprache ein. Ein Ergebnis der Kooperation ist das Video „Einfache Sprache – So wird Mannheim verständlicher“, das auf YouTube verfügbar ist. Es ist in Kooperation mit den beteiligten Mannheimer Institutionen und Julia Braun (Universität Tübingen) entstanden.

IDS-Kontakt: Dr. Christine Möhrs