Grammatik der deutschen Sprache (GDS)


Innovation

Gegenüber dem traditionellen Kanon ist in der Grammatik der deutschen Sprache manches neu. Dies betrifft etwa die Grammatik von Text und Diskurs (Teil C). Phänomene wie Interjektionen, Ellipsen, Anakoluthe, thematische Organisation, grammatische Aspekte des Sprecherwechsels werden anderenorts gar nicht oder nur stiefmütterlich behandelt. Spezifika der gesprochenen Sprache spielten in den letzten siebzig Jahren in der Grammatikschreibung kaum eine Rolle (anders noch bei Paul 1916 ff., Behaghel 1923 ff. oder Blatz 1895 f.). Ferner enthält die Grammatik - parallel zum Phonologiekapitel - eine knappe Darstellung der deutschen Orthographie, die in den letzten Jahren zu einem interessanten und rasch expandierenden Forschungsgebiet herangereift ist. Die Grammatik bietet im Teil D erstmals eine ausführliche Behandlung des funktionalen Aufbaus von Diktum und Proposition unter Aspekten wie Modus, Prädikat, Argument, Diktumserweiterungen (einschließlich Negation, Gradierung usw.). Damit wird zugleich eine Fundierung und Präzisierung grammatisch-semantischer Basiskonzepte geleistet, die in der Literatur oft unreflektiert, vage oder mit einer Vermischung von Ausdrucks- und Inhaltsebene verwendet werden. Neu ist in den Teilen E-H der Versuch, syntaktische und semantische Struktur möglichst eng aufeinander zu beziehen oder gar zu parallelisieren (vgl. E2 1.). Damit wird an die Tradition von logischer Semantik bzw. Montague-Grammatik angeknüpft, um Forschungsergebnisse dieser Richtung fruchtbar zu machen. Der kombinatorische Aufbau kommunikativer Minimaleinheiten wird semantisch fundiert und damit ein Anspruch eingelöst, den auch schon die traditionelle Grammatik in ihrer Inhaltsorientierung erhoben hat. Als Darstellungmittel dient die Kategorialgrammatik, da sie eine Parallelsetzung syntaktischer und semantischer Strukturen wie auch die differenzierte Darstellung von Skopusphänomenen erlaubt (vgl. etwa das Adverbialkapitel E2 3.). Der Satzaufbau geht aus von einem n-stelligen Verbalkomplex, an den dann die geforderten Komplemente ('Ergänzungen') angebunden werden. Durch die Anbindung der Komplemente entstehen Verbgruppen abnehmender Stelligkeit, bis die Ebene des Satzes erreicht ist. Die Verbgruppe kann auf den verschiedenen Ebenen durch Supplemente ('Angaben') erweitert werden. Auf diese Weise gehen Grundannahmen der Dependenzgrammatik in die Satzanalyse ein (vgl. E2 2.). Weiterhin enthält die Grammatik ausführliche Behandlungen der deutschen Wortstellung (E4), der Verbgrammatik (F), komplexer Sätze (H) u.a.m. So umfangreich die Grammatik ausgefallen ist, so hat sie doch - wie alle anderen - Lücken und blinde Flecke. Das hat arbeitsökonomische Gründe wie auch solche, die in der Sache selbst liegen, etwa ein lückenhafter Forschungsstand, der nicht immer durch eigene Untersuchungen zu kompensieren war. Dies wird in den einzelnen Kapiteln deutlich und auch angesprochen. Manches ist ein Problem des Lexikons: Man kann in einer Grammatik nicht auf die unzähligen Besonderheiten einzelner Lexeme eingehen, sieht man von bestimmten Strukturwörtern ab (Modalverben, Konjunktoren). Wenn wir auf einzelne Ausdrücke näher eingehen, dann im Blick auf übergreifende grammatische Erscheinungen und Grundfunktionen. Auf listenartige Übersichten, wie sie in Referenz- oder Lernergrammatiken zu finden sind, haben wir meist verzichtet. Hinzuweisen ist auf die seit 1986 erschienene Lexikon-Reihe mit Übersichten zu den Artikeln, Präpositionen, Konjunktionen, Partikeln, Modalwörtern (z.B. Helbig 1988, Helbig/Helbig 1990, Buscha 1989, Schröder 1986). Weiterhin fehlt eine wirklich ausgearbeitete Morphosyntax. Wir geben Paradigmen und Klassifikationshinweise, aber keine erklärend-analytische Darstellung der leitenden Prinzipien dieses Bereichs. Wer die langjährigen Diskussionen etwa um die Flexion deutscher Substantive verfolgt, wird die Schwierigkeiten einer wissenschaftlich fundierten Behandlung, die diesen Namen verdient und nicht bloß die Probleme benennt oder neue Taxonomien aufstellt, nachvollziehen können. Viele werden (wie die Verfasser) eine Behandlung der deutschen Wortbildung vermissen, zumal der aktuelle Forschungsstand (etwa die Diskussion um eine Wortsyntax) interessante Perspektiven enthält und erheblich über die Tradition hinausführt. Die Ausblendung hatte in der Planung allein arbeitsökonomische Gründe. Zur nächsten Seite