Morphophonologie

Projektleitung: PD Dr. Renate Raffelsiefen

Gegenstand der Morphophonologie sind morphologisch bedingte Besonderheiten in der phonologischen Form abgeleiteter Wörter. Von besonderem Interesse sind sogenannte Alternationen in morphologisch verwandten Wörtern (Allomorphie), die das Eine-Bedeutung-Eine-Form-Prinzip verletzen und in historischer Perspektive dazu neigen, abgebaut zu werden (s. die historisch belegte Allomorphie in Flexionsparadigmen wie Deutsch hören/horten oder Englisch help/halp, gegenüber den jetzigen Formen hören/hörten, help/helped, in denen der Stamm der Basisform sich durchgesetzt hat und das Tempus ausschließlich in einem separaten Morphem kodiert ist). Gleichzeitig erfüllt Allomorphie aber auch eine Funktion, da sie morphosemantische Unterscheidungen (zumindest sekundär) auch im Stamm markiert. Allomorphie erweist sich tatsächlich in vielen Fällen als historisch stabil, in manchen Fällen wird sie ausgeweitet.

In formalen Grammatiken werden morphophonologische Regularitäten oft modelliert, indem eine einzige zugrundeliegende Form spezifiziert wird, von der die unterschiedlichen Oberflächenformen abgeleitet werden (Bermúdez-Otero 2018). Der Fokus liegt hierbei auf der Modellierung der Diskrepanz zwischen den zugrundeliegenden Formen und der jeweiligen Oberflächenformen, etwa durch die Herausarbeitung bestimmter Regeln oder durch bestimmte Ordnungen von Beschränkungen in der Optimalitätstheorie. Im Projekt Morphophonologie wird im Rahmen der Optimalitätstheorie eine andere Herangehensweise verfolgt, wobei nur eine einzige Abstraktionsebene angenommen wird. Diese ist durch sprachspezifische Distinktivität bestimmt und entspricht somit der phonemischen Abstraktionsebene. Regularitäten hinsichtlich des Auftretens von Morphemvarianz werden direkt mit Bezug auf diese Abstraktionsebene modelliert, wobei Korrespondenzbeschränkungen die Gleichheit von Strukturen in separaten Wörtern erzwingen (z.B. die genaue Übereinstimmung bestimmter Merkmale, ganzer Phoneme, oder prosodischer Strukturen).

Das Projekt Morphophonologie zielt in erster Linie auf empirische Argumente, die den ausschließlichen Bezug auf die phonemische Abstraktionsebene betreffen. Relevante Argumente betreffen nicht nur produktive Alternationsmuster, insbesondere die auffällige Stabilität des Umlauts im Deutschen, sondern auch den abrupten Abbau gewisser Morphemvarianten in historischer Perspektive sowie Stabilitätsmuster hinsichtlich der Bedeutungen morphologisch verwandter Wörter (Raffelsiefen 2010). Sprachvergleichende Daten werden gezielt herangezogen, um relevante Phänomene zu beleuchten.