Zugänglichkeit und Zugänglichmachung von Anglizismen und lexikalischen Innovationen
28. Februar 2024, 16:00 Uhr
IDS Mannheim, Vortragssaal
Prof. Dr. Esme Winter-Froemel (JMU Würzburg)
Abstract
Lexikalische Entlehnungen werden in frühen Stadien bei konkreten Verwendungen häufig durch bestimmte Verfahren hervorgehoben, etwa durch Kursivierung oder Anführungsstriche. Diese Verfahren wurden als Flagging (vgl. Levendis & Calude 2019, Klosa-Kückelhaus & Wolfer 2020) vor allem für aktuelle Entlehnungen thematisiert, ihre Bedeutung und Etablierung in einzelnen Sprachen und Verwendungsbereichen ist jedoch erst in Ansätzen untersucht. Kaum erforscht ist auch die historische Dimension der Verwendung entsprechender Hervorhebungsstrategien. Der Vortrag widmet sich diesem Themenfeld daher mit einer doppelten Zielsetzung. Erstens sollen die kommunikativen Funktionen entsprechender Verfahren analysiert werden. Ausgehend von einem interaktionalen Ansatz, der die Perspektiven von Produktion und Rezeption einbezieht, soll argumentiert werden, dass neben der sprecherbezogenen Hervorhebung als nicht oder nur bedingt eigener Sprachgebrauch (Alteritätsmarkierung, vgl. Pflanz 2014) auch der adressatenbezogenen Zugänglichmachung der neuen Einheiten eine zentrale Bedeutung zukommt. Hierbei sind neben Techniken des Flagging die metasprachliche Kommentierung sowie die Bereitstellung von Frameinformation als weitere grundlegende Verfahren relevant. Darüber hinaus soll zweitens die Relevanz der Verfahren für lexikalische Innovationen in verschiedenen Sprachen und Epochen exemplarisch untersucht werden. Die Überlegungen stützen sich zum einen auf Analysen der Verwendung von Anglizismen in Zeitungsartikeln der aktuellen französischen und italienischen Tagespresse (vgl. Winter-Froemel 2023), zum anderen auf die Prägung und Etablierung französischer Fachterminologien in den Bereichen Geometrie, Landwirtschaft und Anatomie in wissenschaftlichen Texten des 12. bis 15. Jahrhunderts auf Grundlage des Dictionnaire du Français Scientifique Médiéval (DFSM).
Literaturangaben
DFSM = Dictionnaire du Français Scientifique Médiéval. dfsm.elan-numerique.fr.
Klosa-Kückelhaus, Annette & Sascha Wolfer. 2020. Considerations on the acceptance of
German neologisms from the 1990s. International Journal of Lexicography 33(2). 150–167. (https://doi.org/10.1093/ijl/ecz033)
Levendis, Katherine & Andreea Calude. 2019. Perception and flagging of loanwords – A diachronic case study of Māori loanwords in New Zealand English. Ampersand 6. 100056. (https://doi.org/10.1016/j.amper.2019.100056)
Pflanz, Marie-Laure. 2014. Emprunt lexical: Existe-t-il une typologie de la phase néologique? Neologica 8. 157–183. (doi: 10.15122/isbn.978-2-8124-2999-6.p.0157)
Winter-Froemel, Esme. 2023. Alterity marking and enhancing accessibility in lexical borrowing: meta-information techniques in the use of incipient anglicisms in French and Italian. Folia Linguistica 57/2. 345–385. (doi:10.1515/flin-2023-2016)
Bio-note
Esme Winter-Froemel ist Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft an der JMU Würzburg. Ihre Hauptforschungsgebiete sind Sprachkontakt und Sprachwandel, Lexikologie, Sprachspiel und Ambiguität. Sie ist Mitantragstellerin des Tübinger Graduiertenkollegs 1808 „Ambiguität: Produktion und Rezeption“ und leitete das wissenschaftliche Netzwerk „Dynamik des Wortspiels“ (DFG, 2013–2018). Aktuelle Forschungs- und Publikationsprojekte widmen sich der Semantik und Pragmatik sowie der kommunikativen Aushandlung lexikalischer Innovationen und Entlehnungen, Phänomenen der Mehrfachadressierung sowie der Analyse von Innovationsszenarien und ambigen Brückenkontexten im Sprachwandel. Ein besonderes Interesse gilt ferner interdisziplinären Schnittstellen (Linguistik – Literaturwissenschaft – Rhetorik – Sprachphilosophie).