Marzena Zygis (Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin)
Über die Markierung prosodischer Grenzen: Deutsch und Polnisch kontrastiv
Abstract
Die Verständlichkeit der fließenden Rede wird durch Grenzsignale ihrer Konstituenten erleichtert. So werden zum Beispiel Segmentketten in vielen Sprachen der Welt am Ende einer Phrase gelängt, was dem Hörer das Ende dieser Konstituente signalisiert. Auch Pausen gehören zu Grenzsignalen, die v.a. größere Konstituenten voneinander abgrenzen.
In diesem Vortrag werde ich eine Systematisierung von Grenzsignalen vornehmen. Den Schwerpunkt meiner Auseinandersetzung bildet eine akustische Studie über Grenzsignale im Deutschen und Polnischen, die ihren Fokus auf Glottalisierungen und Pausen richtet. Das Untersuchungsmaterial umfasst Aufnahmen der Reden von Konrad Adenauer, Thomas Mann und Richard von Weizsäcker (29'04'') einerseits und Jerzy Popieluszko, Wladyslaw Anders und Wladyslaw Sikorski (58'47'') andererseits. Für die Zwecke der Studie wurden alle vokalinitialen Wörter - 740 Fälle im Deutschen und 551 im Polnischen - im Hinblick auf die glottale Markierung analysiert. Darüber hinaus wurde die Dauer der Äußerungen und Pausen gemessen, vgl. Pompino-Marschall & Zygis (2010) für die Ergebnisse des Deutschen.
In dieser Studie wurde untersucht, ob die Glottalisierung und Pausen- und Äußerungsdauer sprach- oder eher sprecherspezifisch sind. Es wurde auch der Frage nachgegangen, inwiefern die Glottalisierung von der Betonung (betonte vs. unbetonte Silben), der Wortart (Inhalts oder Funktionswort), Position (äußerungsinitial vs. äußerungsmedial) und der Qualität des initialen Vokals abhängt.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen dem Polnischen und Deutschen: die Grenzen im Deutschen werden viel häufiger mit Glottalisierungen markiert als im Polnischen. Auch die Pausen- und Äußerungslänge ist unterschiedlich: polnische Sprecher produzierten durchschnittlich etwas kürzere Pausen und Äußerungen als deutsche Sprecher.
Die Studie zeigt auch, dass die Glottalisierung signifikant von der Betonung, der Wortart und dem Sprechtempo beeinflusst wird, vgl. Umeda (1968). Die Auftretensposition der Wörter hat dagegen keinen signifikanten Einfluss auf Glottalisierungen, vgl. Redi & Shattuck-Hufnagel (2001) für ein anderes Ergebnis. Schließlich wird gezeigt, dass tiefe Vokale bessere Kandidaten für Glottalisierung als nicht-tiefe sind, vgl. Krech (1968). Mögliche physiologische Gründe dafür werden besprochen.
Literatur:
Krech, Eva-Maria (1968). Sprachwissenschaftlich-phonetische Untersuchungen zum Gebrauch des Glottisschlageinsatzes in der allgemeinen deutschen Hochlautung. Basel: Kager.
Pompino-Marschall, Bernd & Marzena Zygis (2010). Glottal marking of vowel-initial words in German. ZAS Papers in Linguistics 52.
Redi, Laura & Stefanie Shattuck-Hufnagel (2001). Variation in the realization of glottalization in normal speakers. Journal of Phonetics 29, 407-429.
Umeda, Noriko (1978). Occurrence of glottal stops in fluent speech. JASA 64, 81-94.