Matthias Hüning (Freie Universität Berlin)

Wortbildung im niederländisch-deutschen Sprachvergleich

Abstract

Das Lexikon ist für die kontrastive Linguistik ein schwieriges Gebiet, da es häufig kaum möglich ist, zu signifikanten und aufschlussreichen Generalisierungen über die Unterschiede zwischen zwei Sprachen zu kommen. Dies ist in der Literatur wiederholt festgestellt worden, und es scheint auch für die Wortbildung zu gelten.

Als genetisch nah verwandte Sprachen zeigen das Niederländische und das Deutsche im Bereich des Wortschatzes ein hohes Maß an Übereinstimmungen und Korrespondenzen, und auch in der Wortbildung finden sich weitgehend vergleichbare Prozesse der Komposition und der Derivation. Bei genauerer Betrachtung lassen sich allerdings vielfältige Divergenzen und graduelle Unterschiede feststellen. Anhand einiger Beispiele werde ich in meinem Vortrag zeigen, dass Wortbildungskategorien oft durch semantische Fragmentierung gekennzeichnet sind: im Laufe der Zeit entwickeln sich sprachspezifische semantische Nischen, also Gruppen von Wörtern innerhalb einer morphologischen Kategorie, die durch formale und semantische Kriterien zusammengehalten werden und die durch Analogie erweitert werden können.

Aus der kontrastiven Perspektive sind derartige Nischen oft besser geeignet, zu Generalisierungen über systematische Korrespondenzen und Unterschiede zwischen den beiden Sprachen zu gelangen als die Kategorie als Ganzes. In theoretischer Hinsicht liefert der kontrastive Ansatz viele Hinweise darauf, dass Analogie der Basismechanismus für die Bildung neuer komplexer Wörter ist. Produktivität sollte daher nicht als absoluter, kategorialer Begriff gefasst werden, sondern als lokales und graduelles Phänomen gesehen werden.