Konstruktion und Rekonstruktion: Evidenz aus der Spracherwerbs- und der Sprachkontaktforschung
Abstract
Aus Sicht der Spracherwerbsforschung stellt sich die Frage nach einer Unterscheidung von Konstruktionstypen und nach der Art und Weise ihres Erwerbs aus einem besonders spannenden Blickwinkel. Nicht zuletzt geht es darum zu erklären, wie nicht-kumulative, qualitative Veränderungen von Strukturformaten zustande kommen und welchen Prinzipien die Sukzession von Lernersystemen unterliegt. Beim Spracherwerb können wir erkennen, dass Strukturen und Konstruktionen, die über einen Zeitraum häufig verwendet werden und daher als gut etabliert und automatisiert gelten dürfen, wieder aufgegeben oder signifikant "rekonstruiert" und in neue Strukturzusammenhänge integriert werden.
Der Beitrag zeigt auf der Grundlage von monolingualen und bilingualen Daten aus frühen Phasen des Spracherwerbs, wie anfänglich ganzheitlich übernommene Formeln allmählich und unter dem Druck koexistierender Stukturoptionen reanalysiert und restrukturiert werden. In kindersprachlichen Daten, so die Argumentation, finden wir Evidenz für frühes metasprachliches Bewusstsein um Bedeutungsäquivalenz, Strukturverwandtschaft und strukturelle Kontraste, die eine Unterscheidung von Konstruktionstypen verschiedenster Art und die Modellierung von abstrakten Wissenszusammenhängen in Form von Ableitungsbeziehungen notwendig macht. In diesem Zusammenhang werden auch Codeswitching-Daten erwachsener und kindlicher bilingualer Sprecher und Sprecherinnen berücksichtigt, die auf komplexere Repräsentationen sprachlicher Wissenszusammenhänge schließen lassen als in gängigen Konstruktionsgrammatiken vorgesehen.