Tibor Kiss (Universität Bochum)

Interpretationsspektren und Produktivitätsprofile von Präposition-Substantiv-Kombinationen

Abstract

Präposition-Substantiv-Kombinationen (PNKs) bestehen minimal aus einer Präposition und einem zählbaren Substantiv, das nach den Grammatikregeln der jeweiligen Sprache mit einem Artikel realisiert werden müsste, in der betreffenden Konstruktion aber ohne Artikel realisiert wird, vgl. (1).

(1) auf parlamentarische Anfrage, bei absolut klarer Zielsetzung, in untertreibender Anspielung, mit schwer beladenem Rucksack, ohne mündliche Vorwarnung

PNKs erreichen ein hohes Maß an Komplexität und finden sich auch bei regierten Präpositionen, vgl. (2).

(2) Er wehrt sich gegen die Forderung nach Stilllegung einer Verbrennungsanlage.

PNKs werden häufig als Ausnahmen klassifiziert. Diese Hypothese ist allerdings nicht haltbar (vgl. Dömges et al. (2007), Kiss 2007). Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Produktivität der Konstruktion das Resultat zugrunde liegender allgemeiner Beschränkungen ist oder als Zusammentreffen partiell produktiver Subregularitäten bewertet werden muss. Während der Duden die Konstruktion insgesamt in den Bereich der Ausnahmen zieht, geht Borer (2005) davon aus, dass es latente Eigenschaften gibt, die die Konstruktionen insgesamt grammatisch machen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass beide Positionen nicht haltbar sind und auch eine Konglomeration einzelner Konstruktionen denkbar ist, die nur die Präposition miteinander teilen.

Vor diesem Hintergrund bietet sich die Methode des Annotation Mining (Chiarcos et al. 2008) an, d.h. der multidimensionalen Annotation umfangreicher Sprachdaten. PNKs werden hierzu morphologisch, syntaktisch und semantisch annotiert. Dies macht auch die Entwicklung eines Annotationschemas für die Bedeutungen deutscher Präpositionen erforderlich. So kann etwa überprüft werden, ob bestimmte Bedeutungen von Präpositionen in PNKs blockiert werden (so etwa räumliche Interpretationen bei der Präposition unter). Im Vortrag werde ich anhand der Analyse einzelner Präpositionen aufzeigen, welche Generalisierungen abgeleitet werden können und ob diese auf der Basis latenter Eigenschaften der Konstruktionen überhaupt oder einzelner Subregularitäten zu analysieren sind.

Literatur:
Borer, H. 2005. In Name Only. Structuring Sense, Vol. I. Oxford, OUP.
Chiarcos, C., S. Dipper, M. Götze, U. Leser, A. Lüdeling, J. Ritz und M. Stede. 2008. A flexible framework for integrating annotations from different tools and tagsets. Traitement Automatique des Langues. Special Issue Platforms for Natural Language Processing. ATALA, 49 (2).
Dömges, F., T. Kiss, A. Müller und C. Roch. 2007. Measuring the productivity of determinerless PPs. In: Proceedings of the ACL 2007 Workshop on Prepositions, Prag, S. 31-37.
Kiss, T. 2007. Produktivität und Idiomatizität von Präposition-Substantiv-Sequenzen. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 26, S. 317-345.