Stefan Engelberg, Kristel Proost, (Svenja König), (Edeltraud Winkler) (IDS)
Argumentstrukturmuster und lexikalische Varianz
Abstract
Argumentstrukturen konstituieren einen wichtigen Phänomenbereich für die Grundlegung konstruktionsgrammatischer Theorien. Dabei wird gewöhnlich angenommen, dass etwa Sätze wie die Straßenbahn quietscht um die Ecke nicht auf eine Argumentstrukturvariante des Verbs quietschen zurückgehen, sondern auf die Anwendung einer Argumentstrukturkonstruktion (intransitive Bewegungskonstruktion) auf ein Verb, das genuin nicht Bewegung, sondern – in diesem Fall – eine Geräuschemission ausdrückt wie in der Stuhl quietscht.
Die Konstruktionsgrammatik in der Goldberg'schen Variante verknüpft die Grundidee der Existenz von Argumentstrukturkonstruktionen mit einer Reihe von Annahmen. Unter anderem wird behauptet (i) dass auf bestimmte Argumentstrukturspezifikationen in lexikalischen Einträgen verzichtet werden kann (MINIMIERUNG VON VALENZEN), (ii) dass Argumentstrukturkonstruktionen polysem sind und üblicherweise eine Kernbedeutung haben (KONSTRUKTIONELLE POLYSEMIE), (iii) dass homonyme Argumentstrukturkonstruktionen die Ausnahme sind (HOMONYMIEVERMEIDUNG), und (iv) dass die Verwendung von Argumentstrukturkonstruktionen mit weiteren Verben verhindert wird, wenn diese bereits in einer anderen synonymen (hochfrequenten) Argumentstrukturkonstruktion vorkommen (FREQUENZBEDINGTE BLOCKIERUNG).
Wir überprüfen diese Annahmen auf der Basis von korpuslinguistischen Daten, die innerhalb des IDS-Projekts "Polysemie und konstruktionelle Varianz" erhoben werden. Dazu gehören Daten aus dem Bereich der Such-Konstruktion (sie fahndet nach dem Dieb), der inneren Objekte (sie kämpft einen aussichtslosen Kampf), der Bewegungsvariante von Geräuschverben (sie knattert durchs Dorf) und der Resultativkonstruktion (sie redet sich in Rage). Die Daten zeigen, wo die oben angeführten Annahmen Probleme aufwerfen und dass verbspezifische und verbklassenspezifische Idiosynkrasien zu verteilten Repräsentationen Anlass geben, in denen auch valenzbasierte Informationen einen wichtigen Platz haben.