Die Räumlichkeit des Gesprächs. Interaktionstheoretische Bemerkungen zu einem vernachlässigten Aspekt von Anwesenheit.
Abstract
Es ist nicht zu übersehen, dass die neuere Gesprächsforschung der Zeitlichkeit des Gesprächs, also der Organisation von Nacheinander und Reihenfolge, viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat als der Räumlichkeit des Gesprächs, also der Organisation der Verortung und Platzierung Anwesender im Raum. Für Zeitlichkeit haben wir mit dem Konzept der Sequentialität eine methodologische Leitorientierung, die sich in unzähligen Analysen empirisch bewährt hat und theoretisch explizierbar ist. Für Räumlichkeit gilt das (trotz der Pionierarbeiten von Goffman, Hall oder Birdwhistell) offenkundig nicht, obwohl man mit Fug und Recht behaupten kann, dass Raum und Räumlichkeit - genauso wie Zeit und Zeitlichkeit - interaktiv in Anspruch genommen und interaktiv hergestellt werden. Kann man daraus schliessen, dass der Raum für die Interaktion weniger wichtig ist als die Zeit? Oder hat es damit zu tun, dass Raum und Räumlichkeit für eine an sprachlichen Erscheinungsformen orientierte linguistische Gesprächsforschung empirisch und methodisch schwerer zu fassen sind? Und welcher Art sind die Phänomene, die man zu sehen bekommt und die Konzepte, die man braucht, wenn man Räumlichkeit als Aspekt von Anwesenheit zu thematisieren versucht? Was schliesslich leistet Sprache für die interaktive Inanspruchnahme von Raum und Räumlichkeit?
Diesen und ähnlichen Fragen soll im Vortrag auf exemplarische Weise nachgegangen werden.