Prof. Dr. Arnulf Deppermann / Dr. Reinhold Schmitt (IDS)

Raumkonstitution in der multimodalen Interaktion

Abstract

In linguistischen Untersuchungen erscheint sprachliche Raumreferenz gemeinhin als eine Aktivität, die notwendig ist, um dem Hörer/Leser die räumliche Lokalisierung von Objekten zu ermöglichen. Im Vortrag wollen wir zeigen, dass die sprachliche und kinesische Konstitution von Raum in der multimodalen Interaktion eine flexible kommunikative Ressource ist, die auch unabhängig von solchen Referenz-identifizierenden Erfordernissen eingesetzt werden kann. Das Konzept "Raum" hat eine basale kognitiv-experientielle Qualität, aufgrund derer es sich verständigungsbezogen dazu eignet, als ein basales, "einfaches" Konzept eingesetzt zu werden.

Anhand einer Videoaufnahme einer Lehr-Lern-Interaktion werden wir demonstrieren, wie die sprachliche und körperlich enaktierende Konstitution eines imaginären Raums eingesetzt wird, um eine komplexe Sachverhaltsdarstellung auf den spezifischen Adressaten und dessen Verständnisprobleme veranschaulichend und vereinfachend zuzuschneiden.

Im Zentrum der Datenanalyse steht zum einen die Rekonstruktion der interaktionsstrukturellen Einbettung der Raumkonstitution, die verdeutlicht, dass sie als Verfahren kommunikativ verwendet wird, weil andere Verfahren der Vermittlung abstrakter Sachverhalte bereits gescheitert sind. Zum anderen zeigen wir, wie sprachliche und kinesische Aktivitäten der Akteure systematisch bei der multimodalen Raumkonstitution zusammenwirken und wie durch sie vier unterschiedliche Dimensionen von Raum in der Interaktion (objektiv-physikalischer Raum, Interaktionsraum, individueller Verhaltensraum und imaginärer Raum) organisiert und aufeinander bezogen werden.

Dabei wird deutlich, dass die sozialsymbolische Kodierung von Räumen und die synthetisierende Überblendung (Fauconnier 2002) verschiedener Dimensionen von "Raum" als rekurrente Phänomene in der multimodalen Raumkonstitution eingesetzt werden.