Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos (King's College London)

Multimodal – intertextuell – heteroglossisch: Sprach-Gestalten in Web 2.0-Umgebungen

Abstract

Der Vortrag erkundet Erscheinungsformen und kommunikative Leistungen von Sprache in webbasierten sozialen Netzwerken (wie Facebook und MySpace) und Foto-/Video-Portalen (z.B. flickr, YouTube). Als Kennzeichen gegenwärtiger Web-Umgebungen gelten die gesteigerten Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeiten der Nutzer/innen sowie die Vernetzung und Verschmelzung von Inhalten unterschiedlicher Herkunft, Texten unterschiedlicher Medialität und ehemals separaten Kommunikationsformen. Die Bedeutung dieser Prozesse für Computer vermittelte Kommunikation ist noch kaum diskutiert worden. Im Vortrag wird ein bildschirmbasierter Ansatz entworfen, der Web-Umgebungen als semiotische Räume begreift, die von Nutzern in ihren spezifischen soziokulturellen Umständen und vor der Folie technologischer Potenziale und Grenzen aufgefüllt und ausgestaltet werden. Sprache ist eine wesentliche, allerdings nicht die einzige Ressource dieses digitalen kommunikativen Handelns, und ihre Verwendung muss in der Spannung zwischen medialen Rahmenbedingungen und ihrer situierten Aneignung verstanden werden. Dabei verweist das Stichwort "Sprach-Gestalten" sowohl auf die kreative Leistung der Beteiligten, die sich in den jeweils verfügbaren Kontexten (Profilseite, Kommentarbox, "Pinnwand" usw.) ihre Identitäten und Beziehungen herbei schreiben, als auch auf die am Bildschirm sichtbaren und "besichtigbaren" Textwelten, die maßgeblich durch Sprache mit produziert und sinnvoll gemacht werden. Im Einzelnen unterscheide ich vier Leistungen von Sprache bei der Produktion dieser Umgebungen: Sprache als Ressource der Organisation, der Selbstdarstellung, des Spektakels, der Interaktion. Gleichzeitig ist Sprache in gegenwärtigen Web-Umgebungen von drei Tendenzen geprägt: Multimodalität - komplexe Beziehungen zwischen sprachlichen und anderen Zeichen im Bildschirmkontext; Intertextualität - vielschichtige Relationen zwischen Texten on- und offline; und Heteroglossie - die Spannung zwischen unterschiedlichen Sprachen, Stimmen und Schreibstilen. Der Ansatz wird an Fallbeispielen aus verschiedenen Umgebungen veranschaulicht.