Gebrauchsbasierte Grammatik: Statistische Regelhaftigkeit
Abstract
Das Konzept einer vollständigen explanatorischen Grammatiktheorie ist anfechtbar, da die hierfür notwendigen Prämissen, nämlich dass langue kein Artefakt ist, oder dass sich Menschen in Bezug auf parole annähernd wie Turingmaschinen verhalten, nicht in ausreichendem Maße vorausgesetzt werden können. Wegen dieser grundlegenden Ungewissheit ist insbesondere das Prinzip der Dekomponierbarkeit im Rahmen einer explanatorischen Theoriebildung nicht sinnvoll anwendbar. Der überwältigenden Komplexität von natürlicher Sprache zu begegnen, indem man den Forschungsgegenstand durch ein idealisiertes Ersatzobjekt auswechselt, ist erkenntnistheoretisch nicht zielführend und angesichts heutiger empirischer Möglichkeiten auch unnötig.
Die Autoren rücken den Begriff der Ähnlichkeit in den inhärenten Kern von Sprache, sowie in den Fokus ihres Forschungsprogramms. In der Überzeugung, dass jede phänomenal erfahrbare Erkenntnis über Sprache letztlich ein Ereignis innerhalb von parole ist, untersuchen sie, wie man ausgehend von sehr großen Mengen von aufgezeichneten Sprachdaten und mithilfe von darauf methodologisch anwendbaren Denkansätzen empirischer Wissenschaften die konstitutive Rolle der Ähnlichkeit im Sprachsystem in Form von präferenzrelationalen, statistischen Regelhaftigkeiten manifest machen kann. Sie gehen der Frage nach, inwiefern sich diese Regelhaftigkeiten durch Generalisierungskaskaden strikt induktiv zu lokalen - möglicherweise unvollständigen und nicht zusammenhängenden - Grammatikmodellen entwickeln lassen. Die Methodik kann metaphorisch so dargestellt werden, dass sie die Generalisierungen nachzeichnet, die ein Sprecher assoziativ über wiederholte Erfahrung des Sprachgebrauchs macht. Anhand von konkreten Beispielen soll tentativ skizziert werden, wie solche Generalisierungen und lokalen Modelle aussehen könnten.
Keywords: philosophy of linguistics; usage-based linguistics; corpus linguistics; grammatical modeling; local grammars