Textverstehen aus psycholinguistischer Sicht
Abstract
Der Vortrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zum Textverstehen aus psychologischer Sicht. Im ersten Teil des Vortrags werden die wichtigsten mentalen Verarbeitungseinheiten und -prozesse des Textverstehens anhand anschaulicher Beispiele vorgestellt. Thema des zweiten Teils sind die aktuellen Theorien zum Textverstehen und ihre empirische Begründung. Zum Schluss des Vortrags werden Perspektiven für die Anwendung der Theorien auf praktische Fragestellung wie die der Textverständlichkeit und der Förderung des Textkompetenz aufgezeigt.
Wichtige Verarbeitungseinheiten des Textverstehens sind die mentalen Konzepte, die mentalen Propositionen, die mentalen Modelle sowie die mentalen Situationen. Die aktuelle Forschung zeigt, dass diese Einheiten nicht getrennt voneinander gesehen werden dürfen, sondern eng aufeinander bezogen sind. Auf allen Ebenen des Textverstehens spielen sich Prozesse der Referenz-, der Kohärenz- und der Inferenzbildung ab, die nicht nur vom Text, sondern auch vom Wissen und von den Interessen der Textrezipienten sowie von der Kommunikationssituation beeinflusst werden.
Die modernen Theorien des Textverstehens versuchen, die riesige Komplexität des Textverstehens auf der Basis grundlegender Prozesse zu erklären. So wird im Konstruktions-Integrations-Modell von Walter Kintsch vorgeschlagen, die verschiedenen Textverstehensprozesse in die beiden aufeinander folgenden Phasen der Konstruktion und der Integration einzuteilen. Während in der Phase der Konstruktion sowohl das relevante Wissen und die damit verbundenen Inferenzen aktiviert werden, dient die Phase der Integration dazu, diese Aktivierung auf die für die Kohärenz des Textes relevanten Einheiten zu reduzieren.