Verstanden werden: Vom doppelten Interesse an theoriebasierter, praxisgerichteter Textberatung
Abstract
Was ist Textberatung? Wer berät wen? Wie und zu welchem Nutzen soll das geschehen, und was kann Sprachwissenschaft dazu beitragen? - Dieser Vortrag schlägt eine Brücke zwischen einem kunterbunten Markt und wissenschaftlichem Interesse. Er führt von der Umwelt (1) über Funktionen (2) zu Strukturen (3) einer theoretisch und empirisch fundierten Beratung von Akteuren der Textproduktion.
Der erste Teil des Vortrags umreißt Textberatung als traditionelles Feld praktischer Spracharbeit. Schon Dorfschreiber boten neben der Beratung durch Schreiben auch Beratung beim Schreiben an. Sie fertigten ganze Schriftstücke im Auftrag oder berieten Kunden, etwa beim Schreiben von Geschäfts- oder Liebesbriefen. Heute wirken in diesem Feld Ghostwriter, Redenschreiber, Texter, Korrektoren, Lektoren, Schreibberater, Redaktionscoaches. Dazu kommen ein Reigen von Kursangeboten und die anschwellende Ratgeberliteratur, oft ohne ausgewiesene theoretische oder empirische Grundlagen. Die Vielfalt und Problematik des Beratungsangebots stecke ich am Beispiel der Domäne Journalismus ab.
Der zweite Teil des Vortrags ortet sprachwissenschaftliches Interesse an Textberatung auf einer Objekt- und einer Metaebene: Auf der Objektebene zeigt die Analyse des Sprachhandelns in Beratungssituationen, wie Sprachbenützer über Textgebrauch reden. Das macht ihre subjektiven Konzepte methodisch erschließbar. Auf der Metaebene der Wissenschaftspolitik kann die Linguistik das offensichtliche Interesse an handlungsleitendem Wissen zur Textproduktion als Chance wahrnehmen, ihr Wissen in die Gesellschaft einzubringen, statt die Reflexion der Sprachpraxis sprachwissenschaftlichen Laien und den Nachbardisziplinen zu überlassen. Die Interessen von Wissenschaft und Praxis konkretisiere ich am Beispiel eines medienlinguistischen Ansatzes.
Der dritte Teil des Vortrags schließlich leitet aus den Funktionen die Strukturen wissenschaftlich fundierter Textberatung ab. Zu bestimmen und aufeinander zu beziehen sind die Schlüsselbegriffe um Text und Beratung, dies teils interdisziplinär, etwa auch aus didaktischer Sicht. Das Problemfeld spannt sich auf zwischen Begriffspaaren wie Theorie und Praxis, Text und Autor, Produkt und Prozess, Empirie und Norm, Handlung und Strategie, Repertoire und Kompetenz, Diagnose und Intervention. Wie und mit welchem Gewinn die Fähigkeit zur beruflichen Textproduktion benannt, erkannt und gefördert werden kann, führe ich aus am Beispiel eines zweijährigen Redaktionscoachings mit Leitbildentwicklung, Schreibcoaching und systematischer Blattkritik.
Der Vortrag zeigt also Textberatung als Schnittfeld zweier Interessen: eines praktisch-domänenspezifischen und eines wissenschaftlich-fachspezifischen Interesses daran, Ausschnitte des eigenen Wissens so zu vermitteln, dass die Gruppe der Angesprochenen verstehen will und verstehen kann.