Prof. Dr. Caroline Féry

Leise und laute Prosodie

Abstract

Wie andere Module der Grammatik können wir die Prosodie beim Lesen nicht ausschalten. Vielmehr ist sie ein ständiger Begleiter des Text-Verstehens. Die Prosodie - auch wenn sie nur implizit realisiert ist - unterstützt die Syntax und die Informationsstruktur des Gesagten und des Gelesenen. Angefangen vom Satz wird in dem Vortrag eine Übersicht über die wichtigsten Formen und Funktionen der Prosodie gegeben: wie sich die Wörter zu sog. Akzentdomänen, Phonologischen Phrasen und Intonationsphrasen zusammenschließen, und wie die "Absatzintonation" die Kohärenz eines Texts unterstützt. Auf den untersten Ebenen der prosodischen Struktur ist die Verteilung von Akzenten entscheidend. Eine Ebene höher spielen melodische Veränderungen eine wichtige Rolle für die Phrasierung. Auf der Textebene werden anaphorische Zusammenhänge mit Register und Stimmumfang hergestellt (Silverman 1987). Als Beleg für die Rolle der Prosodie werden Experimente im Bereich der Psycholinguistik (Bader 1996, Fodor 2002) und der experimentellen Phonetik herangezogen.

Es liegt auf der Hand, dass die Syntax die Prosodie formt; die Anzahl der prosodischen Phrasen hängt zum großen Teil von der syntaktischen Phrasierung ab. Aber die Prosodie kann auch die syntaktische Struktur maßgeblich beeinflussen. Im letzten Teil des Vortrags wird darauf eingegangen, welche Konsequenz die wechselseitige Wirkung zwischen Prosodie und Syntax für die Theorie der Grammatik hat (Féry & Samek-Lodovici 2004).

Literatur:
Bader, M. 1996. Sprachverstehen. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Féry, C. & V. Samek-Lodovici (2004) Multiple Foci Competing for Stress. Ms.University of Potsdam and University College of London.
Fodor, J. 2002. Prosodic Disambiguation In Silent Reading. NELS 32. GLSA: University of Massachusetts at Amherst. 113-137.
Silverman, K.E.A. 1987. The Structure and Processing of Fundamental Frequency Contours. Dissertation Cambridge