Prof. Dr. Stephen Barbour

Standardvariation im Deutschen und im Englischen: Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen Sprechern beider Sprachen

Abstract

Da das britische Englisch im Wesentlichen nur Gebrauchsnormen kennt, und keine Sollnormen, bedeutet Standardvariation im Deutschen für Englischsprachige kein grundsätzliches Hindernis beim Erlernen der Sprache. Umgekehrt werden deutschsprachige Lerner des Englischen immer wieder durch das Fehlen von Sollnormen im Englischen irritiert.

Neuerdings entstehen aber Schwierigkeiten auf beiden Seiten durch Änderungen in der Lexik des Deutschen, die als Lockerungen der Norm aufgefasst werden könnten. Es handelt sich hier um die Verwendung von Anglizismen in deutschen Texten. Vermutlich, weil diese oft als nicht normgerecht betrachtet werden, werden sie nur zögernd in Nachschlagewerke aufgenommen, was Lernern der Sprache Schwierigkeiten bereitet. Da es sich hier angeblich um "englische Wörter" handelt, könnte der Eindruck entstehen, sie seien für Englischsprachige unproblematisch. Die deutschen Anglizismen sind aber keine "englischen Wörter", sie weichen im Gebrauch und in der Bedeutung oft erheblich von ihren englischen Vorbildern ab.

Auf der anderen Seite neigen deutschsprachige Lerner des Englischen oft dazu, vermutlich irregeführt durch die übliche Bezeichnung "englische Wörter", deutsche Anglizismen nach deutschen Gebrauchs- und Bedeutungsmustern in ihren englischen Äußerungen zu verwenden, was unter Umständen zu erheblichen Missverständnissen führen kann. Es könnte sogar argumentiert werden, es entstehe durch diese und andere Prozesse eine neue Standardvariante des Englischen, ein "deutsches Englisch".

In diesem Referat werde ich empfehlen, auf die irreführende Bezeichnung "englische Wörter" für deutsche Anglizismen zu verzichten. Ich werde auch dafür plädieren, die Standardvariation so früh wie möglich im Sprachunterricht zu berücksichtigen, da sie für das Verständnis sowohl gesprochener als auch geschriebener Sprache von erheblicher Bedeutung sein kann.