Kollokationen als Übersetzungseinheiten in Parallelkorpora
Abstract
Zweisprachige Wörterbücher reichen bekanntlich nicht aus, um erfolgreich in eine Fremdsprache zu übersetzen. Das liegt vor allem daran, dass Wörterbücher aus mancherlei Gründen Einzelwörter verzeichnen, während wir doch wissen, dass man nicht Wort für Wort übersetzen kann. Allerdings verzeichnen Wörterbücher idiomatische Wendungen. Diese aber sind wesentlicher Teil des kulturellen Erbes einer Sprachgemeinschaft und deshalb Sprachteilhabern wie Lexikographen bewusst.
Isolierte Einzelwörter sind häufig mehrdeutig. Sind sie aber erst einmal in einen Kontext eingebettet, entstehen monoseme Sinneinheiten, die mehrere Wörter umfassen. Solche Kollokationen ähneln in vielerlei Beziehung idiomatischen Wendungen, nur dass sich die Sprachteilhaber und großenteils auch die Lexikographen ihrer nicht bewusst sind. Sie lassen sich indessen in Korpora durch statistische Verfahren ermitteln. Allerdings muss zur statistischen Signifikanz auch semantische Relevanz kommen, d.h. die Eigenschaft, eine Sinneinheit zu ergeben. Kollokationen sind solche Sinneinheiten.
In Parallelkorpora, in denen Originaltexte ihren Übersetzungen in eine oder mehrere Zielsprachen zugeordnet sind, entsprechen Sinneinheiten den Einheiten, die als Ganze in eine Zielsprache übersetzt werden. Diese Übersetzungseinheiten reflektieren also die Bedeutungsgliederung der Zielsprache, nicht die der Ausgangssprache (vgl.: Straße: engl. street/road; engl. bone: Knochen/Gräte/Gebeine). Parallelkorpora lassen sich insofern als eine Relation von Text und Paraphrase verstehen. Dadurch kann man in ihnen Sinneinheiten leichter als in einem monolingualen Korpus feststellen. Solche monosemen Kollokationen sind für die Übersetzungsarbeit enorm wichtig. Sie ermöglichen es, erfolgreich in eine Fremdsprache zu übersetzen.
Ich werde mit Beispielen aus mehreren Parallelkorpora belegen, wie die Mehrdeutigkeit von Einzelwörten durch die Einbettung in Kontexte verschwindet. Es ist die kollektive Praxis der Übersetzer, die letztlich festlegt, welche zielsprachige Entsprechung sich für eine Kollokation durchsetzt. Wie dieser Prozess abläuft, werde ich an dem Transfer einer englischen Neubildung in den deutschen und französischen Sprachraum darstellen.