Dr. Heidrun Kämper (IDS)

"Übergesetzliches Recht". Reflexionen nationalsozialistischen Unrechts in der frühen Nachkriegszeit.

Abstract

Urteilsbegründungen sind zeit- und damit sprachgeschichtliche Dokumente. Sie sind Psychogramme der Gesellschaft eines Staates. In der ersten Nachkriegsdekade reflektieren sie dessen zwei Seinsformen bis und ab 1949. Der Beitrag rekonstruiert vor diesem Hintergrund richterliche Selbstprofile, welche die Rechtsprechung der ersten Nachkriegsdekade bestimmen, um anschließend an drei Beispielen der Frage nachzugehen, wie es möglich ist, dass ein Richter im Rahmen einer konzisen Argumentation dasselbe Argument abweist, das ein anderer Richter, ebenso konzis argumentierend, akzeptiert. Die theoretische Grundlegung dieser Untersuchung besteht - ihrem Erkenntnisinteresse und vor allem den Gegebenheiten der untersuchten Textsorte folgend - aus einem Ensemble argumentations- und konzeptanalytischer Strategien: Urteilsbegründungen sind ihrem Zweck nach argumentierende Texte, die im Argumentieren Schuldkonzepte realisieren. Überlegungen hierzu sind der Untersuchung vorangestellt.