Das Fremde und das Eigene. Zur Geschichte des Fremdwortbegriffs im Deutschen
Abstract
Von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert sind Fremdwörter im Deutschen Gegenstand unterschiedlicher Diskurse:
- eines sprachstrukturellen Diskurses, in dem grammatische und lexikalische Fragen in Bezug auf Fremdwörter erörtert werden (Definition von Fremdwörtern; ihre Eingliederung in das System des Deutschen; ihre Funktion, Bezeichnungslücken zu schließen);
- eines sprachideologischen Diskurses, in dessen Kontext der Fremdwortpurismus in seiner kulturpatriotischen bis nationalistischen Begründung fällt (Reinheit als Sprachqualität; der Germanenmythos; Identifizierung von Sprachwesen und Volkscharakter, Gefährdung sprachlicher und kultureller Identität durch das Fremde);
- eines sprachpädagogischen und sprachsoziologischen Diskurses, der auf die Korrelation von Bildung und Fremdwortbeherrschung abhebt (,fremde Wörter bringen neue Gedanken' vs. 'Fremdwörter verhindern den Zugang zum Wissen');
- eines sprachpflegerischen Diskurses, der 1. Fragen der rhetorisch-stilistischen Gestaltung von Sprache durch Fremdwörter diskutiert (Fremdwörter in der Literatur etc.) und 2. das Problem einer kommunikativen Ethik aufgreift (Fremdwörter als Ausdruck von Pseudogelehrtheit oder oberflächlicher Modernität verhindern die Deckung von Wort und Sache und gefährden die Aufrichtigkeit der Gesprächs mit dem Anderen).
Der Vortrag wird auf der Basis eines Corpus grammatischer, sprachtheoretischer, rhetorisch-stilistischer, sprachkritischer und anderer Schriften die Spezifik der Darstellung des Konzepts des Fremdworts für die neuhochdeutsche Zeit zu skizzieren versuchen. Dabei erweist sich zum einen, dass Fremdwort ein semantisch extrem poröser, konsensabhängiger Begriff ist, zum anderen, dass Fremdwortpurismus keineswegs immer ideologisch-konservativ begründet ist, sich stattdessen häufig als Resultat einer Ethik der Kommunikation erweist.