Prof. Dr. Irmhild Barz (Leipzig)

Interferenzen beim Wortschatzausbau

Abstract

Der Beitrag nimmt Anregungen der Nominationsforschung auf (Fleischer, Munske), indem er verschiedene Verfahren der Benennungsbildung (=Nominationsverfahren), und zwar Wortbildung, Bedeutungsbildung und Phraseologisierung, in ihrem möglichen Zusammenwirken bei der Erzeugung lexikalischer Innovationen beschreibt. Grundlage ist ein zeichentheoretischer Ansatz, wonach die Nominationsverfahren als sekundäre Zeichenbildungsprozesse gesehen werden, derer sich die Sprecher bei der Versprachlichung von Konzepten bedienen.

Ausgegangen wird von der These, dass es sich bei den Nominationsverfahren sehr wohl um diskrete Phänomene handelt, die auch jeweils spezifische lexikalische Produkte hervorbringen, dass aber bestimmte Subtypen lexikalischer Neuerungen ausschließlich durch das Zusammenwirken von Verfahren entstehen. Diese Verbindung oder Überlagerung, hier verallgemeinernd Interferenz der Verfahren genannt, ist im Unterschied zu den Differenzen zwischen den Verfahren bislang weniger detailliert beschrieben. In welchen Fällen, auf welche Weise und mit welchen Folgen für Struktur und Bedeutung der entsprechenden lexikalischen Innovation Interferenzen in der gegenwärtigen Wortschatzentwicklung eine Rolle spielen, soll systematisch dargestellt und an Fallbeispielen illustriert werden.

Im Mittelpunkt steht die Wortbildung. Es dabei geht um die Interferenzen zwischen den Wortbildungsarten einerseits und zwischen Wortbildung und den übrigen Nominationsverfahren andererseits. Als Beispiele für letztere seien die an Wortreduktionen gebundene elliptische Bedeutungsbildung (Plattenbau, Schallplatte > Platte), die (zunächst) an die Wortkombination geknüpfte metaphorische Bedeutungsbildung (Datenautobahn) und ihre potentielle Verselbstständigung oder auch die identischen metaphorischen Modelle in Phraseologie und Wortbildung (,Geld ist Wasser': Geld fließt [ins Ausland], Geldquelle) genannt. Auch die Interferenzen von Phraseologisierung und Bedeutungsbildung sowie von Phraseologisierung und Wortbildung werden analysiert.

Entlehnungsvorgänge finden insoweit Berücksichtigung, als Benennungsbildung auch unter Lehneinfluss oder mit bereits entlehnten Einheiten vor sich gehen kann (Burgerstüberl; Zugnapper 'Entführer eines Zuges').