Pressemitteilung, 23. April 2009
"Gleich und gleich gesellt sich gern" oder "Gleiche Vögel fliegen immer zusammen" Sprichwörter im europäischen Vergleich.
Europäisches Forschungsprojekt unter Beteiligung des Instituts für Deutsche Sprache, Mannheim.
"Einem geschenkten Gaul schaut man" im Deutschen "nicht ins Maul", in anderen Sprachen jedoch "nicht auf die Zähne". Hierzulande "macht eine Schwalbe noch keinen Sommer" und "jeder sollte vor der eigenen Türe kehren". Anderswo "zeigt die Schwalbe jedoch noch keinen Frühling an" und anstatt der Haustür sind es "die eigenen Schwellen oder Pforten". Die Morgenstunde hat in einigen Sprachen etwas Goldenes: Im Slowakischen gibt es das Sprichwort "Morgenstunde, Goldenstunde", und die Ungarn glauben daran, dass "jemand, der früh aufsteht, Gold findet". Neben vielen sprachlichen Verwandtschaften gibt es auch große Unterschiede von Sprache zu Sprache, z.B. Sprichwörter, die zwar dasselbe aussagen, aber völlig andere Wortelemente enthalten: Im Deutschen "macht auch Kleinvieh Mist". Im Slowakischen beruhigt man sich dagegen damit, dass es, "wenn es schon nicht regnet, dann wenigstens tropft". Sprichwörter sind wichtige Träger kultureller Symbole. Man kann von ihnen lernen, welcher Erfahrungsschatz, welche Werturteile und Mentalität in einer Sprachgemeinschaft verankert sind.
Den Gemeinsamkeiten und Unterschieden im heutigen Sprichwortgebrauch in verschiedenen Sprachen und Kulturen geht ein neues internationales Projekt auf den Grund, an dem Forscher des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) beteiligt sind. Das Projekt "SprichWort. Eine Internetlernplattform für das Sprachenlernen" wird vom Programm für Lebenslanges Lernen (LLP) der Europäischen Kommission für die Dauer von zwei Jahren finanziert. Die Koordinatorenrolle hat die Philosophische Fakultät der Universität Maribor (Slowenien) inne. Beteiligt sind neben dem IDS Sprachwissenschaftler und Computerlinguisten der Universität Szeged (Ungarn), der Universität der hlg. Cyril und Methodius Trnava (Slowakei), der Tomas-Bata-Universität Zlín (Tschechien) sowie der Technischen Universität Graz (Österreich).
Das EU-Projekt verfolgt das Ziel, Sprichwörter als wichtiges Kulturgut einer Sprachgemeinschaft in ihrem heutigen Gebrauch zu dokumentieren und zu vermitteln. Die Sprichwörter werden mit modernen empirischen Methoden auf der Basis großer elektronischer Textdatenbanken ermittelt, umfassend beschrieben und online zugänglich gemacht. Zielgruppen des Projektes sind zum einen Fremdsprachenlerner und -lehrende, zum anderen Entwickler von Lehr- und Lernmaterialien.
Die Plattform <http://www.sprichwort-plattform.org/sp/Sprichwort-Plattform> bietet aber auch allen an Sprichwörtern interessierten Nutzern neue Informationen zum heutigen Sprichwortgebrauch. In der Datenbank werden Sprichwort-Äquivalente für Deutsch, Slowenisch, Slowakisch, Tschechisch und Ungarisch vernetzt abrufbar sein. In die Plattform integrierte interaktive didaktische Übungen sollen den Lernprozess erleichtern. Mit dem angeschlossenen europa-weiten Diskussionsforum wird schließlich angestrebt, den Austausch von Ideen und Konzepten innerhalb der Community auf diesem Gebiet zu fördern.
Die Projektgruppe erhofft sich darüber hinaus neue Erkenntnisse für die linguistische Forschung, da die Thematik der mehr oder weniger festen Verbindungen zwischen Wörtern derzeit ein zentrales Objekt der sprachwissenschaftlichen Diskussion darstellt. Durch die Möglichkeit, große sprachliche Textdatenbanken mit Hilfe automatischer Rechercheverfahren systematisch zu analysieren, eröffnen sich auch neue Sichtweisen darauf, wie Sprache tatsächlich funktioniert. So hat sich herausgestellt, dass Menschen sehr viel stärker als es die Sprachwissenschaft in vortechnologischer Zeit noch annehmen konnte, mit zusammengehörenden sprachlichen Fragmenten kommunizieren. Diese Wortverbindungen haben sich im Verlauf der Sprachentwicklung als Muster in den Köpfen der Sprecher verfestigt. Sie können variabel in der jeweiligen Kommunikationssituation abgerufen und entsprechend angepasst werden. Sprichwörter verkörpern solche Bausteine der Sprache in besonderer Weise, und man kann anhand ihres Gebrauchs viel über die Festigkeit und Variabilität sprachlicher Ausdrücke erfahren.
Projektleiterin am IDS:
Dr. Kathrin Steyer
Telefon: (+49 621) 1581 414
Fax: (+49 621) 1581 200
E-Mail: steyer(at)ids-mannheim.de
Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) ist die zentrale außeruniversitäre Einrichtung zur Erforschung und Dokumentation der deutschen Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch und in ihrer neueren Geschichte. Das IDS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Näheres unter: http://www.leibniz-gemeinschaft.de.