Presse-Information, März 2003
Förderpreis für germanistische Sprachwissenschaft an Dr. Raphael Berthele
Untersuchung von Raumausdrücken in der Schweiz. "De Frosch gaad usem Glaas".
Den Förderpreis für germanistische Sprachwissenschaft der Hugo-Moser-Stiftung erhält in diesem Jahr Dr. Raphael Berthele (Freiburg/Schweiz). Der Preis in Höhe von 7.500 Euro wird für noch nicht abgeschlossene Forschungsarbeiten im Bereich der germanistischen Linguistik an Nachwuchsgermanisten vergeben.
Gestiftet wurde er 1986 vom Mitbegründer und ersten Präsidenten des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), Prof. Dr. Hugo Moser und dessen Ehefrau Hildegard Moser. Verliehen wird der Preis zur Eröffnung der 39. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache zum Thema: "Den Nagel auf den Kopf treffen - Wortverbindungen mehr oder weniger fest" am 11. März 2003 im Stadthaus in Mannheim.
Dr. Berthele (33) erhält den Preis für sein Habilitationsprojekt zum Thema: "Diatopische Variationen bei Raumausdrücken im Deutschen und in benachbarten Varietäten der Romania". In diesem Projekt wird erforscht, wie unterschiedlich Sprecherinnen und Sprecher innerhalb der Schweiz beschreiben, wo sich etwas oder jemand befindet oder wo etwas passiert. Die Unterschiede dieser sogenannten Raumausdrücke sollen zum einen zwischen den deutschen Varietäten (also den verschiedenen Schweizer Mundarten und Dialekten) untersucht werden. Zum anderen sollen diese Forschungsergebnisse mit ergänzenden Daten von benachbarten romanischen Varietäten (Französisch, Italienisch, Rätoromanisch) verglichen werden.
Es zeichnet sich ab, dass Sprecher schweizerdeutscher Mundarten wesentlich weniger Co-Ereignisse (also die Art und Weise der Bewegung oder des statischen Zustandes) in ihre Beschreibung integrieren als Sprecherinnen und Sprecher der deutschen Standardsprache. So sagt man in der schweizerdeutschen Mundart zum Beispiel: "De Frosch gaad usem Glaas" - und man formuliert den gleichen Sachverhalt in der deutschen Standardsprache mit der ausführlicheren Beschreibung: "Der Frosch springt aus dem Glas". Gleiches gilt für die Sätze: "De Hund isch im Hüttli" und "Der Hund liegt in der Hütte".
Die schweizerdeutschen Varietäten weisen dagegen wesentlich häufiger komplexe Pfad- und Ortsangaben auf. So wird in manchen Regionen fast jede präpositionale Angabe durch ein Adverb ergänzt. Sagt man im Standarddeutschen: "um das Haus" - so heißt es mundartlich: "ums Huus ume", also "um das Haus herum". Gleiches gilt für die Ortsangabe "im Häuschen", die mundartlich lautet: "im Hüttli inne", d.h. "im Häuschen drin".
Das Deutsche neigt auch im Vergleich mit benachbarten romanischen Varietäten am meisten zum Ausdruck von Co-Ereignissen. Diese vergleichenden Untersuchungen innerhalb der deutschen Varietäten und mit den romanischen Varietäten sollen durch weitere Datenerhebungen intensiviert werden.
Mit dem Förderpreis (im Rahmen des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft) unterstreicht der wissenschaftliche Beirat der Hugo-Moser-Stiftung, dass Raphael Bertheles Arbeit für die dialektologische und soziolinguistische Forschung als besonders förderungswürdig erachtet wird.