Presse-Information, April 2000

Mannheimer Sprachwissenschaftler erhalten Forschungsgelder in Millionenhöhe


DFG-Forschergruppe der Universität Mannheim und des Instituts für Deutsche Sprache, Mannheim, untersucht Sprachvariation

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt eine Gruppe Mannheimer Sprachforscher mit mehr als zwei Millionen Mark. Wissenschaftler des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) und der Universität Mannheim untersuchen in dem Projekt Besonderheiten im Sprachgebrauch bestimmter sozialer Gruppen.
"Wir sind sehr stolz, dass es uns gelungen ist, mit Unterstützung der DFG die Grundlage für einen größeren Projektzusammenhang zu schaffen, in dem Sprachwissenschaftler der Universität und des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) gemeinsam forschen", freuen sich der Sprecher der Forschergruppe "Sprachvariation", Prof. Dr. Werner Kallmeyer vom IDS, und die stellvertretende Sprecherin Prof. Dr. Jadranka Gvozdanovic, Professorin für Slavische Philologie an der Universität Mannheim. "Mannheim bietet hervorragende Voraussetzungen für die Bildung eines sprachwissenschaftlichen Schwerpunktes mit der Verbindung zwischen der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität und dem Institut für Deutsche Sprache, der zentralen außeruniversitären Einrichtung zur Erforschung des heutigen Deutsch und seiner neueren Geschichte".

Insgesamt finanziert die DFG drei wissenschaftliche Mitarbeiter, sechs Doktoranden und neun Hilfskräfte. Darüber hinaus stehen der Forschergruppe mehr als 100.000 Mark für Sachausgaben zur Verfügung. Bewilligt wurden die Fördergelder für die Forschergruppe "Sprachvariation" zunächst für drei Jahre. Danach wird ein Folgeantrag gestellt.
Wieso beschäftigen sich Sprachwissenschaftler mit dem Thema Sprachvariation? "Auch wenn wir nur eine Sprache sprechen, können wir doch zwischen verschiedenen Sprachlagen und Stilen, zwischen Dialekt- und Hochsprache hin- und herwechseln", so Prof. Dr. Jadranka Gvozdanovic. Dieses Phänomen bezeichnet man als Sprachvariation. Denn der Mensch passe seine Sprache den Erfordernissen der jeweiligen Kommunikationssituation an. "Und dies geschieht in der Regel, ohne dass wir diesen Sprachwechsel so richtig zur Kenntnis nehmen", erklärt die Wissenschaftlerin.

Mehrsprachler wie Deutsch-Türken oder andere in Deutschland geborene Nachkommen von Einwanderern springen darüber hinaus oftmals auch zwischen den verschiedenen Sprachen. Mal sprechen sie Hochdeutsch, mal Türkisch, und dann plötzlich "Mannemerisch" oder einen anderen Dialekt. Die Sprachvariation dient hier unter anderem als Mittel der sozialen Positionierung. Mit der sogenannten Kanak Sprak, die mit Elementen von reduziertem Deutsch und mit anderen Formen von deutsch-türkischer Sprachmischung durchsetzt ist, grenzen sich Jugendliche türkischer Herkunft bewusst von anderen ab. "Die Abweichungen vom deutschen Standard und die Sprachmischung werden als Identitätssymbol kultiviert und drücken soziale Identität `zwischen den Kulturen´ aus", erläutert Prof. Dr. Werner Kallmeyer vom Institut für Deutsche Sprache. Er ist Leiter dieses Teilprojektes und Sprecher der Forschergruppe.

Welche Gesetzmäßigkeiten und Regeln diesem Sprechverhalten zugrunde liegen, wollen die Sprachforscher nun herausfinden. Wie genau sieht so ein Sprachenmix aus? Wie kommt es zu diesen Formen des Sprachwechsels? Den Anglisten, Germanisten, Romanisten und Slavisten geht es vor allem darum, die allgemeinen sozialen, kulturellen und kommunikationsspezifischen Voraussetzungen und Bedingungen aufzudecken, die für das Phänomen "Sprachvariation" verantwortlich sind.

Drei der sechs Teilprojekte der Forscherguppe beschäftigen sich mit dem Sprachverhalten von türkischen, italienischen und kroatischen Jugendlichen und Erwachsenen (Teilprojekte von Prof. Dr. Werner Kallmeyer und Dr. Inken Keim, von Prof. Dr. Christine Bierbach und von Prof. Dr. Jadranka Gvozdanovic). Aber auch deutsche Einwanderer in den USA sind Gegenstand der linguistischen Untersuchungen (Prof. Dr. Rosemarie Tracy und Dr. Elsa Lattey). Ein weiteres Projekt wiederum befasst sich mit der Entwicklung und Verbreitung von Sprachmustern und Stilen, wie sie in musikbezogenen Jugendkulturen wie der HipHop-Kultur anzutreffen sind, wobei insbesondere auch die Rolle der Medien unter die Lupe genommen wird (Prof. Werner Kallmeyer). Am Beispiel innerbetrieblicher Kommunikationsprozesse in deutschen, französischen und spanischen Betrieben werden Formen der Sprachvariation miteinander verglichen (Prof. Christine Bierbach und Dr. Andreas Müller).

Im ersten dreijährigen Projektabschnitt sammeln und systematisieren die Linguisten Daten über Sprachvariation in den unterschiedlichen Sprachen und kommunikativen Situationen. Dies geschieht mit Hilfe von Interviews, Befragungen, Textanalysen und beobachtenden Feldstudien. Im dritten Jahr werden drei Folgejahre beantragt, um darauf aufbauend eine umfassende Sprachtheorie zu formulieren. "Im Endeffekt wollen wir universelle Spracheigenschaften von sprach- bzw. situationstypischen Merkmalen unterscheiden können", gibt die Sprachwissenschaftlerin Gvozdanovic zu verstehen.

Neben sprachtheoretischen Erkenntnissen erhoffen sich die Forscher vor allem auch eine geeignete Plattform, um den wissenschaftlichen Nachwuchs gemeinsam betreuen beziehungsweise fundierter und breiter ausbilden zu können.

Kontakt und weitere Informationen

Institut für Deutsche Sprache (IDS)
Prof. Dr. Werner Kallmeyer (Sprecher)
Tel.: 0621 / 1581 309 // Fax: 0621 / 1581 200
e-mail: kallmeyer@ids-mannheim.de

Universität Mannheim
Prof. Dr. Jadranka Gvozdanovic (Stv. Sprecherin)
Tel.: 0621 / 181 2402 // Fax: 0621 / 181 2291
e-mail: jadranka@rumms.uni-mannheim.de